Zur Umwandlung des bei der Carboxylierung gebildeten 3-Phosphoglycerats in Dihydroxyacetonphosphat wird 3-Phosphoglycerat zunächst durch das Enzym Phosphoglycerat-Kinase zu 1,3-Bisphosphoglycerat phosphoryliert. Dabei entsteht unter ATP-Verbrauch ein gemischtes Anhydrid zwischen dem neuen Phosphatrest und der Carboxygruppe (Abb. 6.9). Da die freie Enthalpie der Hydrolyse dieses Anhydrids ähnlich hoch ist wie die der anhydridischen Phosphatbindung im ATP, ist die Phosphoglycerat-Kinasereaktion reversibel. Ein Isoenzym der chloroplastidären Phosphoglycerat-Kinase ist ja auch an der im Cytosol ablaufenden Glycolyse beteiligt und bewirkt dort die Bildung von ATP aus ADP und 1,3-Bisphosphoglycerat Abschnitt 13.4. Die Reduktion des 1,3-Bisphosphoglycerats zu D-Glycerinaldehyd-3- phosphat wird durch das Enzym Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase katalysiert (Abb. 6.9). Bei dieser Reaktion wird intermediär durch Austausch des an die Carboxygruppe gebundenen Phosphats mit einer SH-Gruppe eines Cysteinrestes im aktiven Zentrum des Enzyms ein Thioester gebildet (Abb. 6.10). Die freie Energie der Hydrolyse dieses Thioesters ist ähnlich hoch wie die des Anhydrids ("energiereiche Bindung"). Bei der Reduktion des Thioesters entsteht ein Thiohalbacetal; die SH-Gruppe ist nun „energiearm" verknüpft Auf diese Weise wird die Energie des ATP genutzt, um trotz der hohen Redoxpotenzialdifferenz zwischen Aldehyd und Carboxylat die Reduktion von 3-Phosphoglycerat zu Glycerinaldehydphosphat zu erzielen. Diese Reaktion ist im Prinzip reversibel. Eine Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase ist auch an der umgekehrten Reaktion beteiligt, die während der Glycolyse im Cytosol abläuft. Im Gegensatz zum cytosolischen Enzym, das mit dem Substratpaar NADH/NAD+ reagiert und in erster Linie die Oxidation des Glycerinaldehydphosphats katalysiert, reagiert das chloroplastidäre Enzym mit NADPH als Wasserstoffdonor.
Dies ist ein Beispiel für die unterschiedlichen Funktionen der NADH- und NADPH-Systeme im Stoffwechsel eukaryontischer Zellen. Während die Funktion des NADH-Systems in erster Linie im Einsammeln von Reduktionsäquivalenten für die Oxidation zur Energiegewinnung besteht, ist die Rolle des NADPH-Systems in der Bereitstellung von Reduktionsäquivalenten für Synthesen zu sehen. Man hat in einem Bild das NADH-System mit einer Wasserstoff-Niederdruckleitung verglichen, durch die Reduktionsäquivalente für die Oxidation zur Energiegewinnung abgesaugt werden, und das NADPH-System mit einer Wasserstoff-Hochdruckleitung, durch welche Reduktionsäquivalente in Syntheseprozesse gedrückt werden. So ist in der Regel das Verhältnis reduziert/oxidiert beim NADPH-System etwa hundertmal höher als beim NADH-System. Der auch in den Chloroplasten relativ hohe Reduktionsgrad des NADPH-Systems (etwa 50 bis 60 % reduziert) bewirkt, dass die Reduktion von 1,3-Bisphosphoglycerat zu Glycerinaldehyd-3-phosphat mit hoher Effizienz abläuft.
Die Triosephosphat-Isomerase katalysiert die Isomerisierung des Glycerinaldehydphosphats zu Dihydroxyacetonphosphat. Diese Umwandlung einer Aldose in eine Ketose erfolgt über ein 1,2-Endiol als Intermediat in prin-
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zipiell gleicher Weise wie bei der Ribosephosphat-Isomerase. Das Gleichgewicht der Reaktion liegt weit auf der Seite des Ketons, wobei das Gleichgewicht durch die Temperatur beeinflusst wird. Triosephosphat als Sammelbezeichnung besteht demnach zu etwa 96 % aus Dihydroxyacetonphosphat und nur zu 4 % aus Glycerinaldehydphosphat.
6.4 Aus Triosephosphat wird Ribulosebisphosphat regeneriert
Stellt man die Bilanz der bisher besprochenen Reaktionen der CO2-Fixierung auf, so ergibt sich, dass bei der Fixierung von drei Molekülen CO2 sechs Moleküle 3-Phosphoglycerat und daraus sechs Moleküle Triosephosphat entstehen (Abb. 6.11). Von diesen ist nur ein Triosephosphat der eigentliche Gewinn und kann der Zelle anderenorts für Biosynthesezwecke bereitgestellt werden. Die restlichen fünf Triosephosphate sind erforderlich, um die drei Moleküle RuBP zurückzugewinnen, so dass der Calvin-Cyclus erneut fortgesetzt werden kann. Abbildung 6.12 zeigt den Reaktionsweg der fünf Triosen zu drei Pentosen.
Katalysiert durch das Enzym Aldolase werden in reversibler Reaktion die beiden Triosen Dihydroxyacetonphosphat und Glycerinaldehydphosphat zu Fructose-1,6-bisphosphat verknüpft (Abb. 6.13). Abbildung 6.14 zeigt den Mechanismus dieser Reaktion. Dihydroxyacetonphosphat bildet mit einer endständigen Aminogruppe eines Lysinrestes des Enzymproteins eine Schiffsche Base. Die positive Ladung am Stickstoff begünstigt die Abspaltung eines Protons an C-3, es bildet sich so ein Carbanion. Es gibt eine Resonanzform des Glycerinaldehydphosphats, bei der das C-Atom der Aldehydgruppe positiv geladen ist. Dies ermöglicht eine Verknüpfung zwischen diesem C-Atom und dem negativ geladenen C-3 des Dihydroxyacetonphosphats. Nach der Kondensation wird die Schiffsche Base durch Hydrolyse wieder gespalten und so Fructose-1,6-bisphosphat freigesetzt. Durch das gleiche Enzym wird durch
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entsprechende Reaktion mit Erythrose-4-phosphat Sedoheptulose-1,7- bisphosphat gebildet. Die Gesamtreaktion ist reversibel.
Durch Fructose-1,6-bisphosphatase (Abb. 6.15) wird der Phosphatrest in Position 1 durch Hydrolyse abgespalten; dabei entsteht Fructose-6-phosphat. Diese Reaktion ist irreversibel.
Durch das Enzym Transketolase wird von Fructose-6-phosphat ein Kohlenhydratrest mit zwei C-Atomen auf Glycerinaldehyd-3-phosphat übertragen; es entsteht dabei in reversibler Reaktion neben der Pentose Xylulose-5-phosphat die Tetrose Erythrose-4-phosphat (Abb. 6.16). An dieser Reaktion ist Thiaminpyrophosphat (Abb. 5.5), das auch Reaktionspartner der Pyruvatoxidation ist (Abschn. 5.3), als prosthetische Gruppe beteiligt. Abb. 6.17 zeigt den Mechanismus der Reaktion. In einer Resonanzstruktur ist das C-Atom der Ketogruppe des Fructose-6-phosphat (bzw. Sedoheptulose-7-phosphat) positiv geladen. Durch Reaktion dieses C-Atoms mit dem negativ geladenen C-Atom des Thiazoliumringes des Thiaminpyrophosphats wird ein Addukt gebildet. Der weitere Mechanismus entspricht dem der Aldolasereaktion Abbildung 6.14. Die positive Ladung des N-Atoms im Thiazoliumring führt dazu, dass wie bei der Aldolase das zweite C-Atom neben diesem N-Atom ne-
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gativ geladen wird. Die dadurch verursachte Spaltung der C-C-Bindung führt zur Ablösung eines am Thiazoliumring gebundenen C2-Restes, die verbleibende Aldose (Erythrose-4-phosphat bzw. Ribose-5-phosphat) wird freigesetzt. Wie bei der Aldolasereaktion wird auch der C2-Rest mit seinem negativ geladenen C-Atom mit dem positiv geladenen C-Atom der Aldehydgruppe des Glycerinaldehydphosphats verknüpft und danach der Thiazoliumring wieder abgespalten. Die Gesamtreaktion ist reversibel.
Aldolase (Abb. 6.13) katalysiert auch eine Kondensation von Erythrose-4-phosphat mit Dihydroxyacetonphosphat zu Sedoheptulose-1,7-bisphosphat. Danach katalysiert Sedoheptulose-1,7-bisphosphatase die irreversible Hydrolyse des Sedoheptulose-1,7-bisphosphats. Die Reaktion verläuft analog der Hydrolyse des Fructose-1,6-bisphosphats; beide Reaktionen werden aber durch unterschiedliche Enzyme katalysiert. Durch Transketolase wird dann wieder ein Kohlenhydratrest mit zwei C-Atomen von Sedoheptulose-7-
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phosphat auf Glycerinaldehyd-3-phosphat übertragen; es entstehen dabei die beiden Pentosen Ribose-5-phosphat und Xylulose-5-phosphat.
Die so insgesamt gewonnenen drei Pentosephosphate werden nun zu Ribulose-5-phosphat umgesetzt (Abb. 6.18). Die Umwandlung des Xylulose-5-phosphats wird durch Ribulosephosphat-Epimerase katalysiert; diese Reaktion verläuft über eine Keto-Enol-Tautomerie mit einem 2,3-Endiol als Zwischenprodukt. Die Reaktion der Aldose Ribose-5-phosphat zur Ketose Ribulose-5-phosphat benötigt Ribosephosphat-Isomerase und verläuft ebenfalls über ein Endiol als Zwischenprodukt, allerdings in 1,2-Position. Die so insgesamt entstandenen drei Moleküle Ribulose-5-phosphat werden unter Verbrauch von ATP durch die Ribulosephospbat-Kinase (Abb. 6.19) in den CO2-Akzeptor Ribulose-1,5-bisphosphat umgewandelt. Da hierbei der Phosphatrest aus einer „energiereichen" Anhydridbindung im ATP zu einem „energiearmen" Phosphatester umgesetzt wird, ist diese Kinasereaktion irreversibel.
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In Abbildung 6.20 ist der Calvin-Cyclus in allen Einzelheiten dargestellt. Der Cyclus weist vier irreversible Schritte auf: die Carboxylierung, die Hydrolyse von Fructose- und Sedoheptulosebisphosphat und die Phosphorylierung von Ribulose-5-phosphat. Die Fixierung von einem Molekül CO2 erfordert insgesamt zwei Moleküle NADPH und drei ATP.
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6.5 Neben dem reduktiven Pentosephosphatweg gibt es auch einen oxidativen Pentosephosphatweg
Neben dem bislang besprochenen reduktiven Pentosephosphatweg gibt es in den Chloroplasten auch einen oxidativen Pentosephosphatweg. Durch letzteren Stoffwechselweg, der eine allgemeine Funktion in der Pflanzen- und Tierwelt hat, wird ein Hexosephosphat unter Freisetzung von einem Molekül CO2 zu einem Pentosephosphat oxidiert. Die Bedeutung dieses Reaktionsweges liegt in der Gewinnung von NADPH als "Hochdruckwasserstoff" für Biosyntheseprozesse. Abbildung 6.21 zeigt den Verlauf der Reaktionskette. Glucose-6-phosphat wird zunächst durch das Enzym Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase zu 6-Phosphogluconolacton oxidiert Abbildung 6.22. Diese Reaktion ist stark exergonisch und daher nicht umkehrbar. 6-Phosphogluconolacton, ein innerer Ester, wird durch Lactonase hydrolytisch gespalten. Das so gebildete Gluconat-6-phosphat wird wiederum unter Bildung von NADPH, durch das Enzym Gluconat-6-phosphat-Dehydrogenase zu Ribulose-5-phosphat oxidiert. Dabei wird CO2 freigesetzt. Isoenzyme der Glucose-6-
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phosphat-Dehydrogenase und der Gluconat-6-phosphat-Dehydrogenase gibt es übrigens auch im Cytosol.
In Umkehrung zum reduktiven Pentosephosphatweg entstehen beim oxidativen Weg aus Ribulose-5-phosphat durch Ribulosephosphat-Epimerase Xylulose-5-phosphat und durch die Ribosephosphat-Isomerase Ribose-5- phosphat; diese beiden Produkte werden durch Transketolase zu Sedoheptulose-7-phosphat und Glycerinaldehyd-3-phosphat umgesetzt. Auch diese Transketolase ist TPP-abhängig und überträgt C2-Einheiten (vergl. Abb. 6.17, 5.4 und 5.5A). Die Weiterreaktion der entstandenen Produkte ist eine Besonderheit des oxidativen Weges. Transaldolase überträgt einen nichtphosphorylierten C3 Rest von Sedoheptulose-7-phosphat auf Glycerinaldehyd-3-phosphat, wobei Fructose-6-phosphat und Erythrose-4-phosphat gebildet werden (Abb. 6.23). Der Reaktionsmechanismus ist prinzipiell der gleiche wie bei der Aldolase (Abb. 6.13) mit dem Unterschied, dass nach der C-C-Spaltung die Verknüpfung des C3 -Restes zunächst mit dem Enzym über die Schiffsche Base erhalten bleibt. Erythrose-4-phosphat reagiert mit einem weiteren Xylulose-5-phosphat durch eine Transketolase-Reaktion zu Glycerinaldehyd-3-phosphat und Fructose-6-phosphat. Es entstehen so aus drei Pentosephosphaten (C5-P ) zwei Hexosephosphate (C6-P) und ein Triosephosphat (C3-P):
Diese Reaktionskette ist reversibel. Die Zelle kann so im Bedarfsfall das für die Nukleotidbiosynthese erforderliche Ribose-5-phosphat auch ohne gleichzeitige Gewinnung von NADPH bereitstellen.
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Während im oxidativen Weg bei der Freisetzung von einem Mol CO2 aus einem Kohlenhydrat zwei Mol NADPH gewonnen werden, müssen im reduktiven Weg für die Fixienmg von einem Mol CO2
neben diesen zwei Mol NADPH auch noch drei Mol ATP aufgewendet werden (Abb. 6.24). Die so aufgewendete Energie macht es möglich, dass der reduktive Pentosephosphatweg mit hoher Flussrate in entgegengesetzter Richtung zum oxidativen Weg ablaufen kann.
Reduktiver und oxidativer Pentosephosphatweg werden
reguliert
Im Stroma der Chloroplasten gibt es sowohl die Enzyme des reduktiven als auch die des oxidativen Pentosephosphatweges (Abb. 6.24). Ein gleichzeitiger Ablauf beider Stoffwechselwege, bei dem durch Einsatz von drei ATP und zwei NADPH ein Molekül CO2 zur Stufe des Kohlenhydrats reduziert würde, um dann anschließend durch Oxidation unter Gewinnung von zwei NADPH wieder zu CO2 zurück zu reagieren, wäre ein unnützer Cyclus (engl. futile cycle), der bei jedem Durchgang drei Mol ATP verbrauchen würde. Spezifische Regulationsprozesse vermeiden dieses, indem Schlüsselenzyme des reduktiven Pentosephosphatweges nur im Licht aktiv sind und im Dunkeln aus-
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geschaltet sind, während das Startenzym des oxidativen Weges nur im Dunkeln eingeschaltet ist.
Reduzierte Thioredoxine übertragen das Signal für "Belichtung" auf Enzymproteine
Ein wichtiges Signal für den Zustand "Belichtung" besteht in der Bereitstellung von Reduktionsäquivalenten durch den photosynthetischen Elektronentransport in Form von reduziertem Ferredoxin (Abb. 6.25). Katalysiert durch die Ferredoxin-Thioredoxin-Reduktase, einem Eisen-Schwefel-Protein des 4Fe-4S-Typ, werden Teile dieser Reduktionsäquivalente vom Ferredoxin auf Thioredoxine übertragen.
Thioredoxine bilden eine Familie kleiner, aus etwa 100 Aminosäuren aufgebauter Proteine, welche als reaktive Gruppe die Sequenz -Cys-Gly-Pro-Cys- enthalten. Dieses Aminosäuremotiv liegt an der Außenseite des Proteins. Durch die sterisch benachbarten Cysteingruppen sind beim Thioredoxin zwei Redoxzustände möglich: Das reduzierte Thioredoxin mit zwei SH-Gruppen und das oxidierte Thioredoxin, bei dem die beiden Cysteine durch eine Disulfid-(S-S)-Brücke verknüpft sind. Thioredoxine sind in der belebten Welt universal verbreitet: Man findet sie in allen Lebenwesen, von den Archaebakterien bis zu Pflanzen und Tieren. Sie wirken als Proteindisulfid-Oxidoreduktasen, indem sie einzelne Disulfidbrücken in Zielproteinen zur SH-Form reduzieren und reoxidieren können.
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Sie haben dabei trotz ihrer geringen Größe eine hohe Substratspezifität. Sie reagieren mit nur ganz bestimmten Proteinen und dort auch nur mit bestimmten Disulfidbrücken. Thioredoxine können auch als Redoxüberträger an der Reduktion niedermolekularer Substanzen beteiligt sein. So wurde Thioredoxin aufgrund seiner Funktion als Redoxüberträger bei der Reduktion von Ribonukleotiden zu Desoxyribonukleotiden entdeckt. Man kennt heute eine Reihe von Prozessen, von der Assemblierung der Bakteriophagen bis zur Hormonwirkung oder der Blutgerinnung in Tieren, an denen Thioredoxine beteiligt sind. Thioredoxine sind auch an der reduktiven Aktivierung von Samenproteinen bei der Keimung beteiligt. Die Beteiligung der Thioredoxine an der Lichtregulation von chloroplastidären Enzymen ist daher als eine spezielle Funktion zu sehen, welche die Thioredoxine während der Evolution zusätzlich zu ihren allgemeinen Funktionen übernommen haben.
Durch reduziertes Thioredoxin werden die in Chloroplasten vorhandenen Enzyme Ribulosephosphat-Kinase, NADP-Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase, Fructose-1,6-bisphosphatase und Sedoheptulose-1,7-bisphosphatase aus dem inaktiven Zustand in den aktiven Zustand versetzt und so durch Licht eingeschaltet. Dies gilt auch für andere chloroplastidäre Enzyme. So werden über reduziertes Thioredoxin die RubisCO-Aktivase (Abschn. 6.2), die NADP-Malat-Dehydrogenase (Abschn. 7.3) und die F-ATP-Synthase (Abschn. 4.4) durch Licht eingeschaltet. Andererseits wird durch reduziertes Thioredoxin Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, das Startenzym des oxidativen Pentosephosphatweges, ausgeschaltet. Die ungerichtete Suche nach Reaktionspartnern von Thioredoxinen in der Proteomforschung hat hunderte Zielproteine identifiziert, die durch Dithiol-Disulfidübergänge reguliert werden könnten. Die Kandidatenproteine beteiligen sich an verschiedenen zellulären Prozessen wie Transkription, Translation und Signalverarbeitung. Diese experimentellen Daten zusammen mit der Erkenntnis, dass die Thioredoxine in höheren Pflanzen durch große Genfamilien kodiert werden, zeigen, dass Thioredoxin-abhängige Redoxregulationen in Pflanzen eine außerordentlich breite Bedeutung für die Pflanzenentwicklung und Umweltanpassung haben.
Die durch Thioredoxin modulierte Aktivierung chloroplastidärer Enzyme besteht in der Lösung einer eingebauten Sperre
Wichtige Erkenntnisse darüber, wie Thioredoxin auf die oben genannten chloroplastidären Enzyme wirkt, wurden durch den Strukturvergleich mit entsprechenden Isoenzymen aus anderen Zellkompartimenten gewonnen. So existieren von der Fructose-1,6-bisphosphatase, der NADP-Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase und der Malat-Dehydrogenase lsoenzyme im Cytosol, die nicht durch Thioredoxin reguliert werden. Dies gilt auch für die F-ATP-Synthase in den Mitochondrien. Ein Vergleich der Aminosäuresequenzen zeigt, dass zumindest in einigen Fällen die chloroplastidären Isoenzyme am Ende oder auch im Inneren ihrer Sequenz zusätzliche Abschnitte aufweisen
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(Abb. 6.26). In diesen befinden sich jeweils zwei Cysteinreste, die durch nur vier oder fünf Aminosäuren voneinander getrennt sind. Die SH-Gruppen dieser beiden benachbarten Cysteinreste können durch Oxidation zu einem Disulfid reagieren und bilden so das Substrat für die Protein-Disulfid-Oxidoreduktaseaktivität des Thioredoxins.
Durch den Austausch der an der Regulation beteiligten Cysteine mithilfe gentechnischer Methoden (Kapitel 22) wurden Enzyme erhalten, die auch ohne die Anwesenheit von reduziertem Thioredoxin voll aktiv sind. Den Enzymen, die durch Thioredoxin reguliert werden, wird unter oxidierenden Bedingungen durch die Bildung einer Disulfidbrücke eine Konformation aufgezwungen, bei der das katalytische Zentrum unzugänglich wird. Die Reduktion dieser Disulfidbrücke durch Thioredoxin löst diese Sperre; die Enzymproteine gehen in die entspannte Konformation über, bei welcher das katalytische Zentrum aktiv ist.
Die besprochene Lichtaktivierung ist kein Alles-oder-Nichts-Effekt. Der Aktivierungsgrad der Enzyme spiegelt stattdessen die Balance zwischen der Thioredoxin-vermittelten Reduktion und der Thioloxidation durch oxidierende Reaktionen beispielsweise mit reaktiven Sauerstoffspezies wider. Der Aktivierungsgrad des Enzyms ist eine Funktion der Reduktionsrate. Diese wird nicht nur durch den Redoxzustand des Thioredoxins (und letztlich durch den Redoxgrad des Ferredoxins) bestimmt, sondern auch durch Metabolite. So wird die reduktive Aktivierung der Fructose- und Sedoheptulose-Bisphosphatasen durch die Anwesenheit der betreffenden Zucker-Bisphosphate erhöht. Die Wirkung dieser Effektoren beruht auf einer Herabsetzung der Redoxpotenziale der SH-Gruppen in den betreffenden Enzymen, wodurch die Reduktion der Disulfidgruppen durch Thioredoxin erleichert wird. Auf diese Weise wird die Aktivität der genannten Enzyme erhöht, wenn die Konzentrationen ihrer Substrate ansteigen. Dagegen wird durch NADP+ die reduktive Aktivierung der NADP-Malat-Dehydrogenase vermindert. Dies führt dazu, dass das Enzym nur bei einem hohen NADPH/NADP+-Quotienten aktiv ist (siehe Abschn. 7.3). Andererseits wird die reduktive Inaktivierung der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase durch NADPH verstärkt und so bei ausreichender Versorgung mit NADPH die Aktivität des oxidativen Pentosephosphatweges (Abschn.6.5)
im Licht gedrosselt.
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Eine Reihe weiterer Regulationsvorgänge sorgt dafür, dass der Cyclus des reduktiven Pentosephosphatweges in den einzelnen Schritten abgestimmt ist
Die Aktivität des Calvinzyklus wird über weitere "feed forward"-Aktivierungsmechanismen mit den Lichtreaktionen koordiniert. Bei Belichtung sinkt im Stroma die Protonenkonzentration (Anstieg des pH-Wertes auf >8) durch H+-Eintransport in das Thylakoidlumen. Parallel werden zur Ladungskompensation Mg2+-Ionen aus dem Lumen ins Stroma exportiert. Man kann dort beim Dunkel-Licht-Wechsel eine Änderung des pH-Wertes von etwa 7,2 auf 8,0 beobachten. Die CO2-Fixierung isolierter Chloroplasten zeigt ein Optimum bei etwa pH 8,0 mit einem scharfen Abfall zum sauren Bereich. Eine fast identische pH-Abhängigkeit zeigen die lichtaktivierten Enzyme Fructose-1,6-bisphosphatase und Sedoheptulose-1,7-bisphosphatase. Zudem wird durch den lichtabhängigen Anstieg der Mg2+-Konzentration im Stroma die katalytische Aktivität dieser beiden Enzyme erhöht. Die Lichtaktivierung dieser Enzyme durch das Thioredoxinsystem bildet zusammen mit der Aktivierung durch lichtinduzierte pH- und Mg2+-Änderungen, von denen bereits jede für sich allein zu einer weitgehenden Ausschaltung der oben genannten Enzyme im Dunkeln führt, ein effizientes System, um im Bedarfsfall Enzyme ein- oder auszuschalten.
Hinzu kommt noch eine Regulation der Aktivitäten stromaler Enzyme durch Metabolitspiegel. So werden die chloroplastidäre Fructose-1,6-bisphosphatase und Sedoheptulose-1,7-bisphosphatase durch ihre jeweiligen Produkte Fructose-6-phosphat beziehungsweise Sedoheptulose-7-phosphat gehemmt (Feedback-Hemmung). Dadurch können diese Enzyme in ihrer Aktivität gedrosselt werden, wenn sich ihre Produkte anstauen. Ribulosephosphat-Kinase wird durch 3-Phosphoglycerat und auch durch ADP gehemmt. Letzteres scheint bei der Koordination der beiden Kinasereaktionen des reduktiven Pentosephosphatweges eine Rolle zu spielen. Während Ribulosephosphat-Kinase eine irreversible Reaktion katalysiert, ist die Phosphoglycerat-Kinasereaktion reversibel. Wenn beide Reaktionen ungehindert um das ATP konkurrierten, würde bei einem Mangel an ATP die irreversible Phosphorylierung des Ribulose-5-phosphats die Überhand gewinnen, mit dem Resultat, dass der Cyclus aus der Balance kommt. Eine Drosselung der Ribulosephosphat-Kinase durch ADP mag dies verhindern.
Schließlich beobachtet man eine starke Hemmung der Fructose-1,6-bisphosphatase und der Sedoheptulose-1,7-bisphosphatase durch Glycerat. Wie in Abschnitt 7.1 gezeigt, ist Glycerat ein Zwischenprodukt für die Wiederverwertung des durch die Oxygenaseaktivität der RubisCO gebildeten Phosphoglycolats. Diese Hemmung ermöglicht es, dass bei einem Anstau des Glycerats über eine Verminderung der Bereitstellung von Ribulose-1,5-bisphosphat die Carboxylierung und die begleitende Oxygenierung durch die RubisCO gedrosselt werden.
Auch die RubisCO unterliegt einer Regulation. Es lässt sich am ganzen Blatt zeigen, dass das Ausmaß der Aktivierung der RubisCO mit der Beleuchtungsstärke und der Photosyntheserate korreliert. Der Aktivierungs-
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zustand der RubisCO wird über eine Regulation der RubisCO-Aktivase (Abschn. 6.2) eingestellt. Zum einen wird die RubisCO-Aktivase durch reduziertes Thioredoxin aktiviert. Außerdem ist die Aktivität der RubisCO-Aktivase vom ATP/ADP-Quotienten abhängig. Wenn der ATP/ADP-Quotient im Chloroplastenstroma steigt, erhöht sich auch die Aktivaseaktivität. Es wird diskutiert, dass auf diese Weise die Aktivität der RubisCO der Bereitstellung von ATP durch die Lichtreaktion der Photosynthese angepasst wird. Viele Beobachtungen sprechen aber dafür, dass dies nicht der einzige Mechanismus für eine Lichtregulation sein kann. So ist auch vorgeschlagen worden, dass der lichtabhängige H+-Gradient über die Thylakoidmembran die RubisCO-Aktivase reguliert. Außerdem wird die Aktivität der RubisCO durch ihr Produkt 3-Phosphoglycerat gehemmt. Auf diese Weise könnte die Aktivität der RubisCO bei einem Anstau ihres Produktes gedrosselt werden.
In Abbildung 6.27 sind die verschiedenen Faktoren, welche die Regulation von Enzymen des reduktiven und des oxidativen Pentosephosphatweges beeinflussen, in schematischer Form zusammengestellt. Eine Vielfalt von regu-
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latorischen Prozessen sorgt dafür, dass die einzelnen Schritte der beiden Reaktionsketten aufeinander abgestimmt und dem Bedarf angepasst werden.
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7 Über den Photorespirationsweg wird das durch die Oxygenaseaktivität der RubisCO gebildete Phosphoglycolat recycelt
Wie in Abschnitt 6.2 besprochen, entsteht bei der CO2-Fixierung durch RubisCO als Folge der Oxygenierungsaktivität des Enzyms in großen Mengen das Nebenprodukt 2-Phosphoglycolat. In einem Recycling-Prozess wird aus diesem Nebenprodukt über den Calvin-Benson-Zyklus das Intermediat 3-Phosphoglycerat zurückgewonnen. Dieses Recycling erfolgt in einer Reaktionskette, die vor allem von dem amerikanischen Forscher Edward Tolbert 1972 aufgeklärt wurde und als Photorespirationsweg bezeichnet wird. Die Bezeichnung stammt daher, dass bei diesem Weg (der nur im Licht abläuft) unter Sauerstoffverbrauch eine Substratoxidation unter Bildung von CO2 stattfindet. Während jedoch bei der eigentlichen mitochondrialen Respiration, der
Zellatmung, die Oxidation von Substraten zu CO2 zum Zweck der Gewinnung von Energie erfolgt, wird bei der Photorespiration Energie in erheblichem Maße verbraucht.
7.1 Durch das Recycling von 2-Phosphoglycolat wird Ribulose-1,5-bisphosphat zurückgewonnen
Abbildung 7.1 zeigt einen Überblick über die einzelnen Reaktionsschritte des Photorespirationsweges und deren Lokalisation. Die Oxigenierung von 2 Molekülen Ribulose-1,5-bisphosphat ergibt 2 Moleküle 2-Phosphoglycolat und 2 Moleküle 3-Phosphoglycerat. Bei dem im Nachfolgenden behandelten Recycling
entstehen aus den 2 Molekülen 2-Phosphoglycolat ein weiteres 3-Phosphoglycerat. Dieser Prozess beginnt mit der hydrolytischen Abspaltung des Phosphatrestes durch das im Chloroplastenstroma vorhandene Enzym Glycolatphosphat-Phosphatase (Abb. 7.2). Über einen spezifischen Translokator in der inneren Hüllmembran wird das entstandene Glycolat aus den Chloroplasten ausgeschleust. Der Eintritt in die Peroxisomen erfolgt durch Poren in der peroxisomalen Hüllmembran, die wahrscheinlich durch ein Porin (Abschn. 1.11) gebildet werden.
In den Peroxisomen wird durch Glycolat-Oxidase in irreversibler Reaktion die Hydroxygruppe des Glycolats zu einer Carbonylgruppe oxidiert, dabei
entsteht Glyoxylat. Die Reduktionsäquivalente werden unter Bildung von H2O2 auf molekularen Sauerstoff übertragen (Abb. 7.2). Wie andere H2O2-bildende Oxidasen enthält die Glycolat-Oxidase ein Flavinmononukleotid
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(FMN, Abb. 5.16) als Redoxüberträger zwischen Glycolat und Sauerstoff.
Das gebildete H2O2 wird durch die ebenfalls in den Peroxisomen vorhandene Katalase zu Wasser und Sauerstoff disproportioniert. In der Bilanz werden so für die Oxidation von 1 mol Glycolat zu Glyoxylat 0,5 mol O2 verbraucht. Für den gesamten Prozess wird 1 mol H2O2 benötigt, da die RubisCO auch noch Sauerstoff verbraucht.
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Das Glyoxylat wird noch in den Peroxisomen durch Aminotransferasen zu der Aminosäure Glycin umgesetzt. Dies ist über zwei verschiedene Reaktionen möglich, die nebeneinander im Verhältnis 1:1 ablaufen. Durch die Glutamat-Glyoxylat-Aminotransferase wird auf Glyoxylat der Aminorest von dem Donor Glutamat übertragen. Dieses Enzym akzeptiert auch Alanin als Aminodonor. Bei der Serin-Glyoxylat-Aminotransferase dient Serin als Aminodonor. Diese beiden Enzyme, wie auch andere Aminotransferasen (z. B. Glutamat-Oxalacetat-Aminotransferase, (siehe Abschn. 10.4) enthalten gebundenes Pyridoxalphosphat mit einer Aldehydgruppe als reaktiver Gruppe (Abb. 7.3). Abbildung 7.4 zeigt den Reaktionsverlauf. Die Aldehydgruppe bildet mit der α-Aminogruppe der Aminosäure (in diesem Beispiel Glutamat oder Serin) eine Schiffsehe Base (A), die durch basenkatalysierte Protonenverschiebung in eine isomere Form übergeht (B). Die Hydrolyse der isomeren Schiffsehen Base führt zur Bildung einer α-Ketosäure (α-Ketoglutarat oder Hydroxypyruvat), und freiem Pyridoxamin (C). Die Aminogruppe dieses Pyridoxamins bildet jetzt eine Schiffsche Base mit einer α-Ketosäure (in diesem Fall Glyoxylat), und durch Umkehrung der Schritte C, B und A entsteht Glycin, dabei wird das Pyridoxal zurückgewonnen und steht für den nächsten Reaktionscyclus zur Verfügung.
Das Glycin verlässt die Peroxisomen durch Poren und wird in die Mitochondrien transportiert. Auch wenn dieser Eintritt noch nicht im Detail charakterisiert ist, so kann man davon ausgehen, dass er über einen spezifischen Translokator erfolgt. In den Mitochondrien erfolgt die Oxidation von zwei Molekülen Glycin zu einem Molekül Serin unter Freisetzung von CO2 und
NH4+ (Abbildung 7.5). Die dabei anfallenden Reduktionsäquivalente werden auf NAD+ übertragen. Die Oxidation des Glycins erfolgt durch den Glycin-Decarboxylase-Komplex. Dies ist ein Multienzymkomplex aus verschiedenen Untereinheiten, der eine große Ähnlichkeit mit dem bereits besprochenen Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex (Abb. 5.4) aufweist. Im Zentrum befindet
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sich das so genannte H-Protein mit der prosthetischen Gruppe Liponsäureamid (Abb. 5.5). Um dieses Zentrum herum gruppieren sich das Pyridoxalphosphat-haltige P-Protein, das T-Protein mit einem Tetrahydrofolat (siehe Abb. 7.6) sowie ein L-Protein, welches auch Dihydrolipoat-Dehydrogeoase genannt wird und mit dem L-Protein des Pyruvat- und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplexes identisch ist. Da die Disulfidgruppe des Liponsäureamids im H-Protein am Ende eines flexiblen Polypeptidarms liegt (vgl. Abb 5.4), kann sie mit den anderen drei Untereinheiten reagieren. Eng benachbart zu dem Glycin-Decarboxylase-Komplex ist das Enzym Serin-Hydroxymethyl-Transferase lokalisiert.
Abbildung 7.7 zeigt den Reaktionsweg. Die Aminogruppe des Glycins reagiert zunächst mit der Aldehydgruppe des Pyridoxals im P-Protein zu einer Schiffsehen Base (A). Der Glycylrest wird decarboxyliert und von dem P-Pro-
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tein auf den Liponsäurerest des H-Proteins übertragen (B). Dies ist zugleich der eigentliche Oxidationsschritt: Der C1-Rest wird zur Stufe eines Methylenrestes oxidiert und der Liponsäurerest zur Dihydroliponsäure reduziert. Das Dihydroliponsäureaddukt reagiert nun mit dem T-Protein, dabei wird der C1-Rest unter Freisetzung des Dihydroliponsäurerestes auf Tetrahydrofolat übertragen (C). Über das L-Protein (Dihydrolipoat-Dehydrogenase) wird die Dihydroliponsäure wieder zur Liponsäure oxidiert und dabei NAD zu NADH reduziert (D). Es kann nun ein neuer Reaktionscyclus beginnen. Der an das Tetrahydrofolat gebundene Methylenrest wird durch Serin-Hydroxymethyl-Transferase auf ein zweites Molekül Glycin unter Bildung von Serin übertragen (E).
ie in der mitochondrialen Matrix in Form von NADH anfallenden Reduktionsäquivalente können durch die mitochondriale Atmungskette unter Gewinnung von ATP oxidiert werden. Sie können aber auch, wie in Abschnitt 7.3 besprochen, für die Versorgung anderer Zellkompartimente exportiert werden. Die Kapazität der Glycinoxidation in den Mitochondrien grüner Pflanzenzellen ist sehr hoch. In diesen Mitochondrien können die Proteine des Glycin-Decarboxylase-Komplexes 30 bis 50% des Gehaltes an löslichen Proteinen ausmachen. In Mitochondrien nicht-grüner Pflanzenzellen findet man die Proteine der Glycinoxidation dagegen nur in sehr geringem Umfang.
Das gebildete Serin verlässt die Mitochondrien - wahrscheinlich über einen spezifischen Translokator. Es könnte sich um den gleichen Translokator handeln, der Glycin importiert. Nach Eintritt in die Peroxisomen durch die bereits besprochenen Poren wird über die schon erwähnte Serin-Glyoxylat-Aminotransferase das Serin zu Hydroxypyruvat umgesetzt (Abb. 7.8). Letzteres wird
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unter Verbrauch von NADH zu D-Glycerat reduziert, dies wird durch Hydroxypyruvat-Reduktase katalysiert. Das gebildete Glycerat wird aus den Peroxisomen in die Chloroplasten importiert.
Die Aufnahme von Glycerat in die Chloroplasten erfolgt über den gleichen Translokator, über den Glycolat ausgeschleust wird (Glycolat-Glycerat-Translokator). Dieser bewirkt sowohl einen Glycola-Glycerat-Gegentausch als auch einen Co-Transport von Glycolat allein mit einem Proton. So ermöglicht dieser Translokator einen Export von zwei Molekülen Glycolat aus den Chloroplasten gegen den Import von einem Molekül Glycerat. Durch die in den Chloroplasten vorhandene Glycerat-Kinase wird das Glycerat unter ATP-Verbrauch zu 3-Phosphoglycerat umgesetzt. Schließlich reagiert 3-Phosphoglycerat
unter Verbrauch von ATP und NADPH im Reaktionsweg des reduktiven Pentosephosphatweges (Abschn. 6.3, 6.4) wieder zu Ribulose-1,5-bisphosphat. Damit ist das Recycling des 2-Phosphoglycolats abgeschlossen. Das bei der Glycinoxidation freigesetzte Ammonium-Ion muss aber noch energieaufwendig zurückgewonnen werden.
7.2 Das im Photorespirationsweg freigesetzte Ammonium-Ion wird mit hoher Effizienz refixiert
Stickstoff ist für eine Pflanze ein sehr wertvoller Baustein. Das Wachstum wird häufig durch die Stickstoffversorgung begrenzt. Für die Ökonomie des Pflanzenstoffwechsels ist es daher entscheidend, dass das im Photorespirationsweg mit sehr hoher Rate freigesetzte Ammonium wieder vollständig refixiert wird. Diese Refixierung findet in den Chloroplasten statt. Sie wird durch den gleichen Enzymapparat katalysiert, der auch an der Nitratassimilation beteiligt ist (siehe Kapitel 10), wobei die Rate der NH4+-Refixierung in der Photorespiration fünf- bis zehnmal mal höher ist als die Rate der NH4+-Fixierung bei der Nitratassimilation.
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In einer Pflanzenzelle liegen Chloroplasten und Mitochondrien meist in sehr enger Nachbarschaft. Das bei der Glycinoxidation gebildete NH4+ passiert die inneren Membranen der Mitochondrien und der Chloroplasten. Ob dies durch eine einfache Diffusion von NH3 über die Membranen oder zum Beispiel durch einen spezifischen NH4+-Kanal erfolgt, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Durch die in den Chloroplasten vorhandene Glutamin-Synthetase wird das Ammonium-Ion unter ATP-Verbrauch auf die δ-Carboxygruppe des Glutamats
übertragen (Abb. 7.9), dabei entsteht das Säureamid Glutamin. Die δ-Carboxylgruppe wird zunächst durch ATP in ein Phosphatanhydrid als aktiviertes Zwischenprodukt umgewandelt. Die Glutamin-Synthetase hat eine hohe Affinität für NH4+ und katalysiert einen praktisch irreversiblen Prozess.
Das Enzym hat eine Schlüsselfunktion für die Fixierung des NH4+ nicht nur in Pflanzen, sondern auch in Bakterien und Tieren. Der in Form von Glutamin fixierte Aminostickstoff wird durch die Glutamat-Synthase, auch als Glutamin-2-0xoglutarat-Aminotransferase GOGAT bekannt, über eine reduktive Aminierung auf α-Ketoglutarat übertragen (Abb. 7.9); bei dieser Reaktion entstehen zwei Moleküle Glutamat. Die dazu erforderlichen Reduktionsäquivalente werden durch reduziertes Ferredoxin,
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einem Produkt des photosynthetischen Elektronentransports, angeliefert. Diese Reaktion ist in grünen Pflanzenzellen ausschließlich in den Chloroplasten lokalisiert. Ein Isoenzym der Glutamat-Synthase ist auch in Plastiden von nicht-grünen Geweben, wie z. B. Wurzeln, enthalten, dort allerdings mit NADH als Redoxpartner.
Für Arabidopsis wurde gezeigt, dass die Glutamin-Synthetase auch in Mitochondrien vorkommt, demnach findet eine Fixierung des NH4+ auch dort statt. Da die Glutamat-Synthase exklusiv in den Chloroplasten lokalisiert ist, muss das in den Mitochondrien als Glutamin fixierte Ammonium in die Chloroplasten transferiert werden. Wie dies geschieht ist noch unbekannt. Eine
Möglichkeit für den Transfer wäre ein Glutamin-Glutamat-Shuttle.
Eines der so in den Chloroplasten gebildeten Glutamatmoleküle wird über einen spezifischen Translokator im Gegentausch mit Malat (Glutamat-Malat-Translokator) exportiert und steht nach Eintritt in die Peroxisomen als Reaktionspartner für die Transaminierung von Glyoxylat bereit (Abb. 7.1). Das dabei gebildete α-Ketoglutarat wird, ebenfalls im Gegentausch mit Malat, über einen Malat-α-Ketoglutarat-Translokator in die Chloroplasten reimportiert.
7.3 Für die Reduktion des Hydroxypyruvats müssen Peroxisomen von außen mit Reduktionsäquivalenten versorgt werden
Wie in Abschnitt 7.1 besprochen, ist bei der in den Peroxisomen erfolgenden Reduktion des Hydroxypyruvats zu Glycerat NADH das Reduktionsmittel. Da die Blattperoxisomen keine Stoffwechselketten besitzen, die das NADH in den erforderlichen hohen Raten bereitstellen können, sind sie von einer Versorgung
mit Reduktionsäquivalenten von außen abhängig.
Die Aufnahme von Reduktionsäquivalenten in die Peroxisomen erfolgt über den Malat-Oxalacetat-Shuttle
Im Experiment mit isolierten Peroxisomen ist bei Angebot höherer NADH-Konzentrationen im Außenmedium eine Versorgung der Hydroxypyruvatreduktion zwar möglich. Im Cytosol einer Blattzelle ist jedoch das NADH-System so stark oxidiert (NADH/NAD+ = 10-3), dass die Konzentration des NADH dort im Bereich von nur 1x10-6 mol/L liegt. Diese geringe Konzentration reicht offenbar für den erforderlichen hohen Diffusionsfluss in die Peroxisomen nicht aus. Die Reduktionsäquivalente werden wohl deshalb indirekt über die Aufnahme von Malat und die Freisetzung von Oxalacetat (man bezeichnet dies als Malat-Oxalacetat-Shuttle) in die Peroxisomen importiert (Abb. 7.10). Eine Schlüsselfunktion hat dabei die Malat-Dehydrogenase (Abb. 5.9), die reversibler Reaktion die Oxidation von Malat zu Oxalacetat katalysiert.
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Man findet hohe Malat-Dehydrogenase-Aktivitäten sowohl im Cytosol als auch in Chloroplasten, Mitochondrien und Peroxisomen. Die Malat-Dehydrogenasen in den verschiedenen Kompartimenten weisen zwar Unterschiede in ihren Strukturen auf und werden auch durch verschiedene Gene codiert (man spricht von Isoenzymen), sie sind aber homolog, das heißt, sie sind verwandte Proteine, die im Verlauf der Evolution aus einem gemeinsamen Vorläufer entstanden sind. Während bei den Malat-Dehydrogenasen im Cytosol, den Mitochondrien und den Peroxisomen das NADH-System Redoxpartner ist, reagiert das chloroplastidäre Isoenzym mit dem NADPH-System.
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Mitochondrien exportieren Reduktionsäquivalente ebenfalls über einen Malat-Oxalacetat-Shuttle
Im Gegensatz zu Mitochondrien aus tierischen Geweben, deren innere Membran für Oxalacetat impermeabel ist, besitzen pflanzliche Mitochondrien einen spezifischen Malat-Oxalacetat-Translokator, der Oxalacetat und Malat im Gegentausch transportiert. Da in der mitochondrialen Matrix Malat-Dehydrogenase in hoher Aktivität vorhanden ist, kann das in den Mitochondrien bei der Glycinoxidation gebildete NADH für die Reduktion von Oxalacetat abgefangen und durch den Malat-Oxalacetat-Shuttle exportiert werden. Die Kapazität des Shuttles ist sehr hoch. Wie aus Abbildung 7.1 ersichtlich ist, ist die Menge des in den Mitochondrien bei der Glycinoxidation anfallenden NADH gleich der Menge an NADH, das in den Peroxisomen für die Reduktion von Hydroxypyruvat verbraucht wird. Wenn jedes in den Peroxisomen gebildete Oxalacetat-Molekül in die Mitochondrien transportiert werden würde, dann würde das bei der Glycinoxidation anfallende NADH vollständig für die Bildung von Malat verbraucht werden und stände somit für den mit der ATP-Synthese gekoppelten Elektronentransport der Atmungskette nicht mehr zur Verfügung. Die mitochondriale ATP-Synthese ist auch während der Photosynthese für die Energieversorgung des Cytosols der grünen Blattzellen wichtig. Tatsächlich wird normalerweise nur etwa die Hälfte des Bedarfs der Peroxisomen an Reduktionsäquivalenten aus den Mitochondrien abgezogen und der andere Teil von den Chloroplasten gedeckt (Abb. 7.10). So bleibt in den Mitochondrien nach der Oxidation des Glycins noch genügend NADH für die ATP-Synthese durch die Atmungskette.
Der Export von Reduktionsäquivalenten aus den Chloroplasten wird durch das „Malatventil" geregelt
Über einen Malat-Oxalacetat-Shuttle können auch die Chloroplasten Reduktionsäquivalente exportieren. Malat und Oxalacetat werden durch einen spezifischen Translokator im Gegentausch über die innere Hüllmembran der Chloroplasten transportiert. Trotz der sehr hohen Kapazität des chloroplastidären Malat-Oxalacetat-Shuttles besteht zwischen dem chloroplastidären und dem cytosolischen Redoxsystem des Cyclus ein hoher Gradient: Das Verhältnis NADPH/NADP+ in den Chloroplasten ist über 100 mal höher als das entsprechende NADH/NAD+-Verhältnis im Cytosol. Hierfür ist die chloroplastidäre Malat-Dehydrogenase verantwortlich. Während Malat-Dehydrogenasen normalerweise ein reversibles Gleichgewicht katalysieren, ist die durch die chloroplastidäre Malat-Dehydrogenase katalysierte Reduktion des Oxalacetats weit vom Gleichgewicht entfernt und damit praktisch irreversibel. Dies beruht auf der Regulation der chloroplastidären Malat-Dehydrogenase.
Es wurde bereits in Abschnitt 6.6 beschrieben, dass die chloroplastidäre Malat-Dehydrogenase durch Thio-
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edoxin aktiviert wird und so nur im Licht aktiv ist. Außerdem wird die reduktive Aktivierung des Enzyms durch Thioredoxin durch steigenden NADP+ -Spiegel gehemmt. NADP+ erhöht das Redoxpotenzial der SH-Gruppen in dem regulativen Abschnitt der MalatDehydrogenase, dadurch wird die reduktive Aktivierung des Enzyms durch Thioredoxin gehemmt. Entgegengesetzte Metaboliteffekte für die Aktivierung von Enzymen des reduktiven Pentosephosphatweges wurden bereits in Abschnitt 6.6 diskutiert. Die chloroplastidäre Malat-Dehydrogenase wird so bei einer Erniedrigung des NADP+-Spiegels (gleichbedeutend mit einer Erhöhung des Reduktionsgrades des NADPH/NADP+-Systems) „angeworfen". Dieses Enzym hat dadurch die Funktion eines Überdruckventils, durch das überschüssige Reduktionsäquivalente aus den Chloroplasten „abgeblasen" werden können. So kann eine schädliche Überreduktion der Redoxüberträger der Photosynthesekette vermieden werden. Gleichzeitig können auf diese Weise die peroxisomale Hydroxypyruvatreduktion sowie die Prozesse im Cytosol (z.B. Nitratreduktion) mit Reduktionsäquivalenten versorgt werden.
Chloroplasten können reduzierende Äquivalente auch durch einen Triosephosphat-3-Phosphoglycerat-Shuttle in das Cytosol liefern (Abb. 7.11). Durch diesen Shuttle wird dem cytosolischen Kompartiment mit NADH gleichzeitig auch ATP bereitgestellt.
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7.4 Die peroxisomale Matrix ist ein spezielles Kompartiment für die Entsorgung toxischer Produkte
Warum sind an dem Recyclingprozess von 2-Phosphoglycolat neben den Chloroplasten zwei weitere Organellen beteiligt? Die Lokalisation der Umwandlung von Glycin zu Serin in den Mitochondrien erscheint sinnvoll, da so ein Teil des entstehenden NADH über die Atmungskette für die Synthese von ATP genutzt werden kann.
Bei der Umwandlung von Glycolat zu Glycin werden zwei für die Zelle toxische Zwischenprodukte gebildet: Glyoxylat und H2O2 In isolierten Chloroplasten wird durch die Anwesenheit geringer Konzentrationen von H2O2 oder Glyoxylat die Photosynthese vollständig gehemmt. Die toxische Wirkung von H2O2 liegt in der Oxidation der SH-Gruppen in den Thioredoxin-aktivierten Enzymen des reduktiven Pentosephosphatweges. Glyoxylat, eine agressive Carbonylverbindung, die unter anderem mit SH-Gruppen reagiert, hat ebenfalls eine starke Hemmwirkung auf durch Thioredoxin aktivierte Enzyme. Es hemmt aber auch RubisCO. Die Kompartimentierung der Umwandlung des Glycolats in Glycin in den Peroxisomen führt dazu, dass die Zwischenprodukte Glyoxylat und H2O2 bereits am Ort ihrer Entstehung mit so hoher Effizienz umgesetzt werden, dass sie nicht in andere Räume der Zelle entweichen können.
Wie ist eine derartige Kompartimentierung möglich?
Die Kompartimentierung von Stoffwechselprozessen in anderen Zellkompartimenten, wie dem Chloroplastenstroma oder der mitochondrialen Matrix, beruht auf der Funktion von trennenden Membranen, die spezifische Translokatoren für den Transport bestimmter Metabolite besitzen und für Intermediate der dort lokalisierten Stoffwechselketten nicht passierbar sind. Dieses Prinzip lässt sich jedoch auf eine Kompartimentierung der Glycolatoxidation nicht anwenden, da Membranen sowohl für H2O2 als auch für Glyoxylat so permeabel sind, dass ein Entweichen dieser beiden Substanzen aus den Peroxisomen durch eine umgebende Membran nicht verhindert werden könnte.
Die sehr wirksame Kompartimentierung der Reaktion von Glycolat zu Glycin und von Serin zu Glycerat in den Peroxisomen ist auf besondere Eigenschaften der peroxisomalen Matrix zurückzuführen: Während bei Chloroplasten oder Mitochondrien nach einem Aufbrechen der Grenzmembranen (z.B. durch kurzzeitige Suspendierung in Wasser, einem so genannten osmotischen Schock) die Proteine des Stroma oder der Matrix in Lösung gehen, bleibt nach einem Aufbrechen der peroxisomalen Membran der Verbund der peroxisomalen Matrixproteine in Form von Partikeln in der Größe von Peroxisomen erhalten. Die Kompartimentierung der genannten Reaktionen wird nicht beeinflusst. Dass Glyoxylat, H2O2 und Hydroxypyruvat als Intermediate des peroxisomalen Stoffwechsels nicht freigesetzt werden, beruht offenbar auf einem engen Verband der Enzyme in Form eines vernetzten Multienzym-
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komplexes, wodurch das Produkt einer enzymatischen Reaktion als Substrat für die folgende Reaktion unmittelbar an das nächste Enzym weitergereicht wird.
Dieser mit dem englischen Begriff metabolite channelling bezeichnete Vorgang ist sicher nicht allein auf die peroxisomale Matrix beschränkt. Es wird seit langem diskutiert, dass Stoffwechselabläufe auch in anderen Kompartimenten, wie zum Beispiel der Calvin-Cyclus in den Chloroplasten (Kapitel 6)
, ähnlich geordnet ablaufen. Eine Besonderheit bei den Peroxisomen ist jedoch, dass diese spezielle Organisation der Enzyme auch nach dem Aufbrechen der Membran erhalten bleibt. Dies kann eine Schutzfunktion sein, die verhindert, dass nach einer Verletzung der Peroxisomenmembran Glycolat-Oxidase austritt. Als Folge hiervon würde das Glycolat außerhalb der Peroxisomen oxidiert und die Zelle durch eine Anhäufung der Produkte Glyoxylat und H2O2 im Cytosol vergiftet.
Für den Anteil des Glyoxylat und Hydroxypyruvat, der trotz des metabolite channelling aus den Peroxisomen entweicht, gibt es im Cytosol spezielle Entgiftungsenzyme, die unter Verbrauch von NADPH Glyoxylat in Glycolat (NADP-Glyoxylat-Reduktase) und Hydroxypyruvat in Glycerat (NADP-Hydroxypyruvat-Reduktase) umwandeln.
7.5 Wie hoch sind die Kosten der Ribulosebisphosphat-Oxygenase-Reaktion für die Pflanze?
Auf der Grundlage der Stoffwechsel-Schemata in Abbildung 6.20 und Abbildung 7.1 sind in Tabelle 7.1 der Aufwand an ATP und NADPH (bzw. dazu äquivalent zwei reduzierte Ferredoxinmoleküle) für Oxygenierung und Carboxylierung von RuBP durch RubisCO zusammengestellt worden. Die Daten illustrieren, dass der Verbrauch an ATP und NADPH, der erforderlich ist, um die Folgen der Oxygenierung rückgängig zu machen, sehr viel höher ist als der entsprechende Aufwand für die Carboxylierung. Während bei der CO2-Fixierung die Umsetzung von CO2
zu Triosephosphat drei ATP und zwei NADPH erfordert, kostet die Oxygenierung von RuBP pro Molekül O2 insgesamt fünf Moleküle ATP und drei Moleküle NADPH. Berücksichtigt man die in Abschn. 7.2 erwähnte NH3-Refixierung, würde der Energieverbrauch noch erheblich höher sein. Tabelle 7.2 zeigt den Mehraufwand an ATP und NADPH bei verschiedenen Verhältnissen Carboxylierung/Oxygenierung. Da im Blatt die Quotienten Carboxylierung/Oxygenierung zwischen zwei und vier liegen, führt die Oxygenierung gegenüber dem entsprechenden Aufwand der CO2-Fixierung zu einem Mehraufwand an ATP tmd NADPH zwischen 40 und 80 % . Die Nebenreaktion der RubisCO kostet die Pflanze demnach insgesamt mehr als ein Drittel der eingestrahlten Photonen.
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7.6 Am Kompensationspunkt findet keine Netto-CO-2-Fixierung statt
Bei einem Verhältnis Carboxylierung/Oxygenierung von 0,5 findet keine Netto-CO2-Fixierung statt, da dann die Menge des durch die Carboxylierung fixierten CO2
der Menge des nach Oxygenierung im Photorespirationsweg freigesetzten CO2 entspricht. Dieser Zustand lässt sich experimentell erzeugen, indem eine Pflanze in einer abgeschlossenen Kammer belichtet wird. Dabei
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sinkt durch die Photosynthese die CO2-Konzentration ab, bis eine Konzentration erreicht wird, bei der sich CO2-Fixierung und Freisetzung die Waage halten. Man bezeichnet diesen Zustand als Kompensationspunkt. Auch wenn die CO2-Freisetzung nicht nur durch den Photorespirationsweg, sondern auch durch andere Reaktionen, wie den Citratcyclus in den Mitochondrien erfolgen kann, so sind letztere Quellen der CO2-Freisetzung gegenüber dem Photorespirationsweg in belichteten grünen Pflanzenteilen doch vernachlässigbar. Bei den Pflanzen, mit denen wir uns bisher beschäftigt haben, den so genannten C3-Pflanzen (sie heißen so, da das erste Carboxylierungsprodukt die C3-Verbindung 3-Phosphoglycerat ist), beträgt die CO2-Konzentration am Kompensationspunkt je nach Spezies und Temperatur zwischen 35 bis 70 ppm, das sind 10 bis 20 % der Konzentration in der Atmosphäre. In der wässrigen Phase, in der RubisCO vorliegt, bedeutet dies bei 25 °C eine CO2-Konzentration von 1 bis 2 x 10-6 mol/L. Bei den in Abschnitt 8.4 behandelten C4-Pflanzen beträgt die CO2-Konzentration am Kompensationspunkt nur etwa 5 ppm. Der Grund für diesen im Vergleich zu C3-Pflanzen so niedrigen Wert wird in Abschnitt 8.4 eingehend besprochen.
Entzieht man in dem erwähnten geschlossenen System das CO2 durch Bindung an KOH und unterschreitet so den Kompensationspunkt, dann erfolgt im Licht durch die Oxygenierung und den nachfolgenden Photorespirationsweg eine Nettofreisetzung von CO2 auf Kosten der vorhandenen Biomasse, die für die Nachlieferung von Kohlenhydraten zur Regenerierung des Ribulose-1,5-bisphosphats abgebaut wird. Die Pflanze wird so im Licht „ausgezehrt".
7.7 Der energieverbrauchende Photorespirationsweg kann für die Pflanze auch nützlich sein
Wegen des hohen Energiebedarfs der Photorespiration läuft am Kompensationspunkt der Photosynthesestoffwechsel auf hohen Touren, allerdings in bezug auf die CO2-Fixierung im Leerlauf. Eine derartige Situation liegt vor, wenn die Spaltöffnungen Abschnitt 8.1 bei Blättern unter vollem Licht wegen Wassermangel geschlossen sind und dadurch kein CO2 aufgenommen werden kann. In diesem Fall wird der energieverbrauchende Photorespirationsweg von der Pflanze genutzt, um das durch die Lichtreaktion bereitgestellte NADPH und ATP, das durch die CO2Fixierungs- und Regenerierungs-Reaktionen nicht verbraucht werden kann, zu eliminieren und mit NADP und ADP Akzeptoren für den linearen Elektronentransport zu regenerieren. Es wurde bereits besprochen, dass eine Überreduktion und Überenergetisierung des Photosyntheseapparates in der Zelle schwere Schäden verursacht. Wie auch in Abschnitt 13.4 für den Fall von Sauerstoffmangel in Wurzeln beschrieben, ist es daher für die Pflanzenzelle essentiell, überschüssige Reduktionsäquivalente zu eliminieren. Die Photorespiration als zunächst
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unvermeidliche Nebenreaktion hat so nachträglich eine Schutzfunktion für die Pflanzen erlangt. Es ist daher durchaus denkbar, dass eine Verminderung der Oxygenasereaktion der RubisCO durch gentechnische Methoden (siehe Kapitel 22), wie sie von vielen Wissenschaftlern, wenn auch bislang vergeblich, versucht wird, nicht nur zu einer gewünschten höheren Lichtausnutzung durch die Pflanze führt, sondern zugleich auch deren Empfindlichkeit gegenüber übermäßiger Belichtung oder Wassermangel (siehe folgendes Kapitel) steigert, da somit eine Schutzfunktion aufgehoben wird.nach oben zum Kapitelanfang
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8 Photosynthese ist mit Wasserverbrauch verbunden
In diesem Kapitel wird auf gezeigt, dass bei der Photosynthese sehr viel Wasser verbraucht wird und daher das der Pflanze zur Verfügung stehende Wasser
häufig begrenzt ist. Es werden außerdem biochemische Mechanismen behandelt, durch die bestimmte Pflanzen an trockenen und heißen Standorten ihren Wasserverbrauch reduzieren können.
8.1 Bei der Aufnahme von CO2 in das Blatt geht Wasser aus dem Blatt in Form von Wasserdampf verloren
Pflanzen benötigen für ihr Wachstum viel Wasser, da die Photosynthese mit einem hohen Wasserbedarf gekoppelt ist. Eine C3-Pflanze (siehe unten) benötigt
für die Fixierung von 1 mol CO2 700 bis 1300 mol Wasser. Hierbei spielt der Wasserverbrauch für die photosynthetische Wasserspaltung mengenmäßig keine nennenswerte Rolle,
der Wasserbedarf beruht vielmehr darauf, dass Wasser aus den Blättern in Form von Wasserdampf entweicht. Dieser Wasserverlust durch Verdunstung wird durch die Wasseraufnahme der Wurzeln ausgeglichen.
Es f1ndet so während der Photosynthese ein ständiger Strom von Wasser aus den Wurzeln durch die Röhren des Xylems in die Blätter statt, den
man als Transpirationsstrom bezeichnet.
Um den Wasserverlust durch Verdampfung gering zu halten, ist die Oberfläche der Blätter mit einer gasundurchlässigen Cuticula aus Cutin (Abschn. 18.3) überzogen. Dennoch ist ein Wasserverlust der Blätter während der Photosynthese unvermeidlich, da für die Aufnahme des CO2 in der Blattoberfläche Öffnungen erforderlich sind, die Spaltöffnungen (Stomata), durch die
das C02 aus der Atmosphäre in den Gasraum im Inneren des Blattes und von dort weiter in die Mesophyllzellen diffundieren kann (Abb. 8.1). Durch die Stomata entweicht zwangsweise aber auch Wasser aus dem Blatt in Form von Wasserdampf. Da die Wasserdampfkonzentration im Gasraum des Blattes im Gleichgewicht mit dem Zellwasser (31000 ppm, 25 °C) um zwei Größenordnungen höher ist als die Konzentration des CO2 in der Luft (350 ppm), ist bei der Diffusion von CO2 in die Blätter ein Entweichen einer sehr großen Wassermenge unvermeidlich. Um den Wasserverlust des Blattes zu minimieren, ist die Öffnung der Stomata reguliert. Daher haben Pflanzen bei einer Erhöhung
der CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen geringeren Wasser-
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verlust und damit auch einen geringeren Wasserbedarf. Die biochemischen Reaktionen, auf denen der Öffnungs- und Schließvorgang der Stomata beruhen, werden im nächsten Abschnitt ausführlich besprochen.
Selbst bei genügender Bewässerung der Pflanze sind die Stomata nur so weit geöffnet, wie es für die CO2-Versorgung des Blattes erforderlich ist. Bei Wassermangel werden zum Schutz vor dem Austrocknen die Stomata teilweise
oder vollständig geschlossen und so die Photosynthese gedrosselt oder vollständig ausgeschaltet. Dadurch ist Wassermangel sehr oft ein entscheidender Faktor für das Pflanzenwachstum, insbesondere in den wärmeren und trockneren Regionen der Erde. Begrenzte Wasserverfügbarkeit und höhere Temperaturen haben während der Evolution zur Entwicklung von Pflanzen geführt, die einen geringeren Wasserverlust haben. Wie in Abschnitt 6.2 bereits besprochen, entsteht bei der CO2-Fixierung als erstes Produkt 3-Phosphoglycerat, eine Verbindung aus drei Kohlenstoffatomen. Man spricht daher von C3Pflanzen. Wie in Abschnitt 8.4 ausführlich diskutiert wird, gibt es Pflanzen, die das CO2 zunächst in der C4-Verbindung Oxalacetat fixieren (um auf diese alternative Weise Wasser zu sparen). Diese Pflanzen werden als C4Pflanzen bezeichnet.
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Stomata regulieren den Gasaustausch in einem Blatt
Die Stomata werden durch zwei Schließzellen, die oft von Nebenzellen umgeben werden, gebildet. Abbildung 8.2 zeigt in einer rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme den Spaltöffnungsapparat in geschlossenem (a) und geöffnetem (b) Zustand sowie einen medianen Schnitt durch ein Schließzellenpaar
(c). Die Öffnung erfolgt durch eine Erhöhung des osmotischen Drucks in den Schließzellen, worauf Wasser einströmt und sich das Zellvolumen erhöht. Die solchermaßen „aufgeblähten" Zellen führen zur Öffnung des Spaltes (Abb. 8.3).
Der Stoffwechsel der Schließzellen unterscheidet sich sehr stark vom Stoffwechsel der Mesophyllzellen. Für Untersuchungen des Mechanismus des Öffnungsvorganges ist daher eine Isolierung der Schließzellen erforderlich. Da im Verhältnis zu den Mesophyllzellen die Schließzellen sehr klein sind und ihre Isolierung nur zu geringen Ausbeuten führt, sind biochemische und physiologische
Untersuchungen an diesem Objekt überaus schwierig. Trotzdem zählen die Schließzellen zu den bestuntersuchten Pflanzenzellen. Die Kenntnisse über den Schließvorgang sind aber in vielen Einzelaspekten noch fragmentarisch, wie im nächsten Abschpitt erläutert wird.
Im Stoffwechsel der Schließzellen spielt Malat eine wichtige Rolle
Der Anstieg des osmotischen Drucks bei der Öffnung der Stomata ist vorrangig auf eine Akkumulation von Kaliumsalzen in den Schließzellen zurückzuführen, entsprechende Anionen sind dabei je nach Spezies vor allem Malat, aber auch Chlorid. Abbildung 8.4 zeigt in schematischer Darstellung
die Abläufe beim Öffnungsvorgang mit Malat als hauptsächliches Anion.
Durch eine H+-P-ATPase werden Protonen über die Plasmamembran in den extrazellulären Raum gepumpt. Die H+-P-ATPase entspricht dem gleichen Typ wie die Na+/K+-ATPase in tierischen Zellen. Das Transportprotein wird intermediär an einem Aspartylrest durch ATP phosphoryliert. Sie ist dadurch grundverschieden von der F-ATPase und V-ATPase (Abschn. 4.4). Man bezeichnet sie daher als P-Typ-ATPase oder kurz P-ATPase. Die durch die H+-P-ATPase gebildete elektrische Potenzialdifferenz treibt den Einstrom von K+-Ionen über einen Kaliumkanal in die Schließzellen. Dieser Kanal ist nur bei negativen Spannungen geöffnet (siehe Abschn. 1.10) und erlaubt daher nur den Einstrom von K+-Ionen. Man bezeichnet ihn daher auch als K+-Einwärtskanal. Die in die Zelle aufgenommenen K+-Ionen werden größtenteils in die Vakuole transportiert. Nach bisherigen Kenntnissen ist an diesem
Vorgang eine vakuoläre H+-ATPase (V-ATPase) beteiligt, durch die Protonen in das Innere der Vakuolen gepumpt werden, die dann gegen K+-Ionen, unter Beteiligung eines Kaliumkanals, ausgetauscht werden. Die V-ATPasen sind entfernt verwandt mit den F-ATPasen (Abschn. 4.4).
Die Akkumulation der Kationen in der Vakuole führt zur Bildung einer Potenzialdifferenz über die Vakuolenmembran, diese treibt den Einstrom von
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Malat über einen für organische Anionen spezifischen Kanal. Das erforderliche Malat wird durch den glycolytischen Abbau von Stärke, die in den Chloroplasten gelagert ist, bereitgestellt. Dieser Abbau liefert auf einem hier nicht im Detail behandelten Weg Triosephosphat (Abschn 9.1). Letzteres wird über einen Triosephosphat-Phosphat-Translokator im Gegentausch mit anorganischem Phosphat in das Cytosol freigesetzt und dort in Phosphoenolpyruvat umgewandelt (siehe Abb. 10.11). Durch das Enzym Phospboenolpyruvat-Carboxylase (Abb. 8.5) reagiert Phosphoenolpyruvat mit HC03 zu Oxalacetat. Da bei dieser Reaktion ein sehr energiereicher Enolester gespalten wird, ist die Reaktion irreversibel. Das gebildete Oxalacetat wird über einen spezifischen Translokator in die Chloroplasten transportiert, über die dort anwesende NADP-Malat-Dehydrogenase zu Malat umgesetzt und letzteres in das Cytosol ausgeschleust (Abb. 8.4). Möglicherweise werden Malat und Oxalacetat über den gleichen Translokator befördert.
Beim Schließen der Stomata wird das Malat zum größten Teil aus den Schließzellen freigesetzt. Da Schließzellen sehr geringe Aktivitäten von RubisCO besitzen, tragen sie insgesamt nur gering zur CO2Fixierung bei. Daher wird die Rückbildung der Stärke vor allem durch die Aufnahme von Glucose in die Schließzellen gespeist. Im Gegensatz zu den Chloroplasten aus Mesophyllzellen besitzen Schließzellenchloroplasten einen GlucosephosphatPhosphat-Translokator, der neben Glucose-6-phosphat und Phosphat auchTriosephosphat und 3-Phosphoglycerat transportiert. Diesen Translokator
findet man auch in Plastiden nicht-grüner Gewebe, wie zum Beispiel in Wurzeln (siehe Abschn. 13.3).
Die Stomaöffnung unterliegt einer komplexen Regulation
Man kennt eine Reihe von Faktoren, welche die Öffnung der Stomata beeinf1ussen. So wird die Stomaöffnung unter anderem durch die CO2Konzentration im Gasraum und durch Licht über den Blaulicht-Rezeptor Phototropin (Abschn.19.9) reguliert. Abscisinsäure (engl. abscisic acid, ABA) (Abschn.19.6) bewirkt in mikromolaren Konzentrationen ein Schließen der Stomata.
Sinkt infolge Wassermangels das Wasserpotenzial unter einen kritischen Punkt, setzt eine verstärkte ABA-Synthese ein. Dabei ist die Wirkung von ABA auf die Stomaöffnung von der interzellulären CO2-Konzentration
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und der Anwesenheit der Signalsubstanz Stickstoffmonooxid (NO) (Abschn.19.9) abhängig. Die Bindung von ABA an einen Membranrezeptor löst Signalkaskaden aus, an deren Ende die Steuerung von Ionenkanälen liegt. An diesen Signalkaskaden sind cyclische ADP-Ribose (Abb.19.13), Inositoltrisphosphat (Abb.19.4) und Ca++ -Ionen als Botenstoffe beteiligt. Vermittelt durch diese Signalkaskaden bewirkt ABA, dass in den Schließzellen Anionenkanäle aktiviert werden, wodurch es zu einem Ausstrom von Anionen
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kommt. Dies führt zu einer Depolarisierung des Plasmalemma und dadurch zur Öffnung der K+-Auswärtskanäle (siehe Abschn. 1.10). NO reguliert diese Ca2+ -sensitiven Ionenkanäle durch eine Erhöhung der cytosolischen Ca2+ -Konzentration über eine Stimulierung der Ca2+ -Freisetzung aus den intrazellulären Speichern. Die dadurch bewirkte Freisetzung der K+-, Malat2- - und Cl+-Ionen aus den Schließzellen führt zu einem Abfall des osmotischen Druckes, damit zu einer Verkleinerung der Schließzellen und so zu einem Schließen des Spaltes. Der Einsatz der Patch-Clamp-Technik (siehe Abschn. 1.10) hat zu revolutionären Erkenntnissen über die Rolle spezifischer Ionenkanäle beim Schließvorgang geführt.
NO kann durch Stickstoffmonooxid-Synthase (Abschn.19.9) oder als Nebenprodukt der Reduktion von Nitrat über die Nitratreduktase (Abschn. 10.1) gebildet werden. In Schließzellen wird die Aktivität der Nitratreduktase durch ABA stimuliert. Offenbar ist das Zusammenspiel von NO und ABA bei der Kontrolle der Stomaöffnung sehr komplex.
8.2 Diffusion von CO2 in eine Pflanzenzelle
Der Weg des CO2 aus der Atmosphäre bis zum katalytischen Zentrum der RubisCO - durch die Stomata, den interzellulären Gasraum, das Plasmalemma, die Chloroplastenhülle und das Stroma - wird durch Diffusion zurückgelegt. Nach einer einfachen Ableitung des Ficksehen Gesetzes gilt für einen Diffusionsfluss I über eine bestimmte Strecke:
I ist als die pro Zeit- und Flächeneinheit diffundierende Substanzmenge definiert. ΔC, der Diffusionsgradient, ist die Differenz der Konzentrationen zwischen Anfangs- und Endpunkt und R der Diffusionswiderstand. Der Diffusionswiderstand R von C02 ist in Wasser 104 mal größer als in Luft.
Abbildung 8.6A illustriert an einem Modellbeispiel die Diffusion von C02 in das Blatt einer C3 Pflanze bei limitierender Wasserversorgung. Über die Kontrolle der Stomaöffnung wird ein stomatärer Diffusionswiderstand erzeugt, durch den ein Diffusionsgradient von 100 ppm aufrechterhalten wird. Die daraus resultierende C02-Konzentration von 250 ppm im interzellulären
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Gasraum steht bei 25°C im Lösungsgleichgewicht mit einer CO2-Konzentration in wässriger Lösung von 8μM. In mit Luft (350 ppm) bei 25°C gesättigtem Wasser beträgt die Konzentration des gelösten C02 11,5 μM.
Da die Chloroplasten unter der Oberfläche der Mesophyllzellen angeordnet sind (siehe Abb. 1.1), ist die Hauptdiffusionsstrecke für das C02 innerhalb der Mesophyllzelle die Durchquerung des chloroplastidären Stroma bis zum Reaktionsort der RubisCO. Das Chloroplastenstroma enthält zur Erleichterung dieser Diffusion hohe Aktivitäten des Enzyms Carboanhydrase. Durch
diese wird nach Eintritt des C02 in das Stroma ein Gleichgewicht mit HC03 hergestellt (Abb 8.7). Bei pH 8, und 25°C steht 8 μM C02 im Gleichgewicht mit 400 μM HC03. In Gegenwart von Carboanhydrase besteht demnach für HCO3 ein 50fach höherer Diffusionsgradient als für C02. Auch wenn man berücksichtigt, dass wegen der höheren molaren Masse der Diffusionswiderstand für HC03 um etwa 20 % höher ist als für C02, so ist im Carboanhydrase-
Gleichgewicht der Diffusionsfluss für HC03 etwa 40fach höher als für C02.
Durch die Anwesenheit der Carboanhydrase wird so der Konzentrationsabfall bei der für die CO2-Fixierung erforderlichen Diffusion des anorganischen Kohlenstoffs durch das Stroma klein gehalten. Die Diffusion von C02 aus dem interzellulären Gasraum bis zur RubisCO im Stroma führt insgesamt zu einem Konzentrationsabfall von etwa 2 μM. Am Ort der Carboxylierung
wurde eine CO2-Konzentration von etwa 6 μM ermittelt. In der wässrigen Phase, die im Gleichgewicht mit Luft steht, liegt eine 02-Konzen-
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tration von 250 μM vor. Dies führt zu einem Verhältnis Carboxylierung/Oxygenierung von etwa 2,5.
Kehren wir noch einmal zu Abbildung 8.6 zurück: Da C02 und 02 um die durch RubisCO katalysierte Reaktion mit Ribulose-1,5-bisphosphat konkurrieren, und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Verhältnis zur O2-Konzentration sehr niedrig ist, führt der Konzentrationsabfall des C0 2 bei der Diffusion von der Atmosphäre zum Ort der CO2-Fixierung zu einer erheblichen Begrenzung der Effizienz der Carboxylierung durch RubisCO. Dies ist auch ein Grund dafür, dass dieses Enzym so hoch konzentriert sein muss, wie in Abschnitt 6.2 besprochen wurde. Natürlich könnte durch eine größere Öffnung der Stomata der stomatäre Diffusionswiderstand beispielsweise halbiert werden, damit bei gleichem Diffusionsfluss auch der Diffusionsgradient halbiert und so die interzelluläre CO2-Konzentration von 250 auf 300 ppm erhöht werden. Damit würde letztlich auch das Verhältnis Carboxylierung/Oxygenierung durch RubisCO erhöht. Der Preis für die Halbierung des stomatären Diffusionswiderstandes wäre jedoch eine Verdopplung des Wasserverlustes.
Da der Diffusionsfluss des Wasserdampfes aus den Blättern zum Diffusionsgradienten proportional ist, bildet die Luftfeuchtigkeit für den Wasserverlust einen entscheidenden Faktor. Diese Betrachtungen illustrieren die überaus wichtige Funktion der Stomata für den Gasaustausch der Blätter. Die Regulation der Stomaöffnung bestimmt letztlich, wie hoch die Rate der CO2-Fixierung sein darf, ohne dass die Pflanze dabei zuviel von dem lebenswichtigen Wasser verliert.
8.3 C4-Pflanzen benötigen bei der CO2-Assimilierung weniger Wasser als C4-Pflanzen
Da im Gleichgewicht mit flüssigem Wasser die Dichte des Wasserdampfes mit der Temperatur exponentiell ansteigt - bei einem Übergang von 20°C auf 30°C erfolgt fast eine Verdopplung der Dichte von Wasserdampf - ist das Problem des Wasserverlustes während der Photosynthese bei hohen Tempe-
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raturen besonders prekär. C4-Pflanzen haben einen Weg gefunden, den Wasserverbrauch bei der Photosynthese wesentlich zu verringern. Sie benötigen nur 400 bis 600 mol Wasser für die Fixierung von einem mol C02, dies entspricht etwa der Hälfte des entsprechenden Wasserverbrauches von C4-Pflanzen, und dieser Unterschied ist noch größer bei höheren Temperaturen. C4-Pflanzen sind in der Regel in warmen und trockenen Gebieten beheimatet; zu ihnen gehören die wichtigen Kulturpflanzen Mais, Zuckerrohr und Hirse.
Das für einen verminderten Wasserverbrauch verantwortliche Prinzip lässt sich durch einen Vergleich der Modelle einer C3Pflanze und einer C4-Pflanze demonstrieren Abbildung 8.6: Eine Erhöhung des stomatären Diffusionswiderstandes in der C4-Pflanze gegenüber der C3-Pflanze um den Faktor zwei vermindert den Diffusionsfluss des Wasserdampfes aus der C4-Pflanze auf die Hälfte des Flusses aus der C3 Pflanze.
Um bei der Erhöhung des stomatären Diffusionswiderstandes in der C4-Pflanze für C02 den gleichen Diffusionsfluss wie in der C3Pflanze zu erreichen,
muss nach dem abgewandelten Ficksehen Gesetz (Abschn. 8.2) im Gegenzug der Diffusionsgradient um den Faktor zwei erhöht sein. Dies bedeutet bei einer CO2Außenkonzentration von 350 ppm eine Innenkonzentration von nur 150 ppm und damit eine CO2-Konzentration in der wässrigen Phase von 5 μM. Bei dieser geringen CO2-Konzentration sind C2-Pflanzen nahe am Kompensationspunkt (Abschn. 7.6), so dass die CO2-Fixierung durch die RubisCO nur sehr gering wäre.
Der entscheidende Punkt für den Ablauf der C4-Photosynthese ist das Vorhandensein einer Pumpe, durch die das C02 von der sehr niedrigen Konzentration von etwa 5 μM durch Überführnng in ein benachbartes Kompartiment auf eine Konzentration von etwa 70 μM angehoben wird. Der Pumpvorgang benötigt natürlich Energie. Dieser Energieaufwand wird allerdings dadurch wieder ausgeglichen, da bei der sehr hohen CO2-Konzentration in der Umgebung der RubisCO die Oxygenasereaktion fast völlig unterdrückt ist. Die bei C3-Pflanzen auftretenden sehr hohen Energieverluste durch den Photorespirationsweg (Abschn. 7.5) werden so in C4-Pflanzen vermieden. Der C4-Stoffwechsel verbraucht also in der Regel nicht mehr Energie als der C3-Stoffwechsel, insbesondere bei höheren Temperaturen ist der C4-Stoffwechsel sogar energetisch günstiger. Ein Grund hierfür ist, dass bei einem Anstieg der Temperatur die Oxygenase-Aktivität der RubisCO relativ stärker ansteigt als die Carboxylase-Aktivität. Somit besteht bei warmen Klima-Bedingungen der Vorteil der C4-Pflanzen gegenüber den C3-Pflanzen sowohl in einem verminderten Wasserbedarf wie auch in einer durch Unterdrückung der Photorespiration bedingten günstigeren Energiebilanz der Photosynthese.
Ein Auslöser für die Entdeckung des CO2-Konzentrierungsmechanismus war ein unverstandener experimenteller Befund. Nachdem Calvin und Benson gezeigt hatten, dass bei der photosynthetischen CO2-Fixierung als erstes Produkt 3-Phosphoglycerat erscheint, untersuchte Hugo Kortschak an einem Zuckerrohr-Forschungsinstitut in Hawaii um 1950 den Einbau von radioaktivem
C02 bei der Photosynthese in Zuckerrohr. Das Ergebnis war überraschend: Als erstes CO2-Fixierungsprodukt wurden nicht - wie erwartet -
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3-Phosphoglycerat, sondern die C4-Verbindungen Malat und Aspartat identifiziert. Dieses Ergebnis weckte Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit des zu dieser Zeit bereits akzeptierten Calvin-Cyclus. Offenbar wagte Kortschak damals nicht, diese Zweifel zu äußern; die Ergebnisse blieben fast zehn Jahre unveröffentlicht. Ohne von diesen Untersuchungen zu wissen, kam Yuri Karpilov in der Sowjetunion, der zu dieser Zeit mit Mais experimentierte, zu sehr ähnlichen Ergebnissen.
Die beiden Forscher Hal Hatch und Rodger Slack in Australien erfuhren von den unverstandenen Ergebnissen und versuchten diese durch systematische Untersuchungen zu erklären. Sie fanden, dass es sich bei dem Einbau von radioaktivem C02 in Malat um einen Prozess handelte, der dem CalvinCyclus vorgeschaltet ist. Sie konnten zeigen, dass diese erste Carboxylierungsreaktion
der Bestandteil eines Mechanismus zur CO2-Konzentrierung ist. Dessen Funktion und Bedeutung wurde von den beiden Wissenschaftlern um 1970 aufgeklärt. Der C4-Stoffwechsel (C4-Weg) wird daher auch als Hatch-Slack-Weg bezeichnet.
Die CO2 Pumpe in C4-Pflanzen
Für das Pumpen von C02 von einer niedrigen zu einer hohen Konzentration müssen zwei verschiedene Kompartimente vorhanden sein. Dies wird durch die Blattanatomie der C4-Pflanzen bestätigt. C4-Pflanzen zeigen eine so genannte Kranzanatomie (Abb. 8.8). Die Leitbündel, in denen sich die Siebröhren und die Xylemgefäße befinden, sind kranzartig von einer Scheide von Zellen, den Bündelscheidenzellen umgeben. Diese werden durch Mesophyllzellen umschlossen, die ihrerseits Kontakt mit dem interzellulären Gasraum der Blätter haben. Gustaf Haberlandt hat bereits 1884 in seinem Buch Physiologische Pflanzenanatomie beschrieben, dass unter anderem in Zuckerrohr
und Hirse die Assimilationszellen kranzartig angeordnet sind und diskutiert, ob eine noch unbekannte Arbeitsteilung zwischen den Chloroplasten der Bündelscheiden- und jenen der Mesophyllzellen eine Rolle spielt.
Mesophyll- und Bündelscheidenzellen sind durch eine Zellwand getrennt, die oft, aber nicht immer, eine undurchlässige Suberinschicht enthält. Suberin ist ein Polymer phenolischer Substanzen (Abschn. 18.3), in das Wachs eingelagert ist. Die Grenze zwischen Mesophyll- und Bündelscheidenzellen wird durch eine sehr große Anzahl von Plasmodesmen (Abschn. 1.1) unterbrochen.Diese Plasmodesmen ermöglichen einen Diffusionsstrom von Metaboliten zwischen den Mesophyll- und Bündelscheidenzellen.
Der Pumpvorgang beruht nicht auf der spezifischen Funktion eines Membran- Transporters, sondern darauf, dass das C02 nach Umwandlung in HC03 im Cytosol der Mesophyllzellen durch die Reaktion mit Phosphoenolpyruvat zu Oxalacetat vorläufig fixiert wird. Nach Umwandlung des Oxalacetat in Malat diffundiert das Malat in die Bündelscheidenzellen, in denen das C02 wieder freigesetzt wird, um als Substrat der RubisCO zu fungieren. Alternativ kann auch Aspartat als Transportmetabolit dienen (Abb. 8.14). Malat und Aspartat sind stabilere C4-Säuren als Oxalacetat und
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somit bessere Transportmoleküle. Abbildung 8.9 zeigt ein Schema dieses Vorgangs. Ursache für die Bildung des CO2-Gradienten bei diesem Pumpvorgang ist letztlich, dass die vorläufige Fixierung von C02 (A) und die Wiederfreisetzung von C02 (B) in den unterschiedlichen Kompartimenten durch unterschiedliche Reaktionen erfolgen, die jeweils irreversibel ablaufen. Ein entscheidendes Kennzeichen von C4-Pflanzen ist die ausschließliche Lokalisation der RubisCO in den Chloroplasten der Bündelscheidenzellen.
Die Reaktion von HC03 mit Phosphoenolpyruvat wird durch das Enzym Phosphoenolpyruvat-Carboxylase katalysiert. Dieses Enzym wurde bereits beim Stoffwechsel der Schließzellen Abb 8.4 und 8.5 beschrieben. Die Reaktion ist stark exergonisch und damit irreversibel. Durch die hohe Affinität des Enzyms für HC03 werden mikromolekulare Konzentrationen von Hydrogencarbonat mit hoher Effizienz umgesetzt. Die Bildung des Bicarbonats
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aus C02 wird durch eine im Cytosol der Mesophyllzellen lokalisierte Carboanhydrase katalysiert.
Für die Freisetzung von C02 in den Bündelscheidenzellen werden in verschiedenen C4-Pflanzen unterschiedliche Wege eingeschlagen (Abb. 8.10): Durch das Malat-Enzym wird eine Decarboxylierung des Malats unter gleichzeitiger Oxidation zu Pyruvat katalysiert.
Bei dem NADP-Malat-Enzymtyp erfolgt diese CO2-Freisetzung unter Reduktion von NADP+ in den Bündelscheidenchloroplasten. Bei dem NAD-Malat-Enzymtyp findet die Decarboxylierung des Malats unter Reduktion von NAD in den Mitochondrien statt. Bei dem Phosphoenolpyruvat-Carboxykinasetyp wird im Cytosol der Bündelscheidenzellen Oxalacetat unter ATP-Verbrauch decarboxyliert, dabei entsteht Phosphoenolpyruvat.
Im folgenden sollen Ablauf und Kompartimentierung des Stoffwechsels dieser drei C4-Typen kurz besprochen werden.
C4-Stoffwechsel des NADP-Malat-Enzymtyps
Der C4-Stoffwechsel in Mais, Zuckerrohr und der Mohrenhirse verläuft nach dem NADP-Malat-Enzymtyp. Abbildung 8.11 zeigt den Ablauf und die Lokalisation der einzelnen Schritte. Das bei der Carboxylierung des Phosphoenolpyruvats im Cytosol der Mesophyllzellen gebildete Oxalacetat wird über
einen spezifischen Translokator in die Chloroplasten transportiert, dort durch die NADP-Malat-Dehydrogenase zu Malat reduziert und das Malat aus den Chloroplasten wieder exportiert. Eine derartige Reduktion von Oxalacetat in
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den Chloroplasten wurde bereits bei der Photorespiration (Abschn. 7.3) beschrieben. Das Malat diffundiert über Plasmodesmen (Abschn. 1.1) in die Bündelscheidenzellen und gelangt durch spezifischen Transport in die Bündelscheidenchloroplasten.
Der Diffusionsfluss des Malats zwischen den beiden Zellen erfordert einen Diffusionsgradienten von etwa 2 mM. In den Chloroplasten der Bündelscheidenzellen erfolgt die Freisetzung des CO2 über das NADP-Malat-Enzym. Dieses CO2 wird durch die benachbarte RubisCO zur Carboxylierung von Ribulose-1,5-bisphosphat genutzt.
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Pyruvat wird über einen spezifischen Translokator aus den Chloroplasten exportiert, diffundiert über Plasmodesmen in die Mesophyllzellen und wird - wiederum über einen spezifischen Translokator - in die Chloroplasten transportiert. Dort wird durch das Enzym Pyruvat-Phosphat-Dikinase (Abb. 8.12) in einer sehr ungewöhnlichen Reaktion Pyruvat wieder zu Phosphoenolpyruvat umgesetzt. Die Phosphatdikinase katalysiert eine zweifache Phosphorylierung. Das an dieser Reaktion beteiligte ATP überträgt in reversibler
Reaktion einen Phosphatrest auf Pyruvat und einen zweiten auf Phosphat, dabei entsteht anorganisches Pyrophosphat. Durch eine im Chloroplastenstroma vorhandene Pyrophosphatase wird das Pyrophosphat gespalten und aus dem Gleichgewicht entfernt, damit wird die Reaktion irreversibel. Dadurch reagiert Pyruvat unter Verbrauch von zwei energiereichen Phosphaten aus dem ATP, das dabei zu AMP umgesetzt wird, irreversibel zu Phosphoenolpyruvat. Das Phosphoenolpyruvat wird durch einen spezifischen Phosphoenolpyruvat-Phosphat-Translokator im Gegentausch mit anorganischem
Phosphat aus dem Chloroplasten exportiert.
Warum diffundiert bei dem hohen CO2-Gradienten zwischen den Bündelscheiden- und Mesophyllzellen das CO2 nicht wieder zurück? Da im Chloroplastenstroma der Bündelscheidenzellen, im Gegensatz zum Stroma der Mesophyllzellen, Carboanhydrase (zur Funktion siehe (Abschn. 8.3) nicht vorhanden ist, ist die Diffusion des CO2 durch die Chloroplasten der Bündelscheidenzellen viel langsamer als durch die Chloroplasten der Mesophyllzellen. Zudem beschränkt eine Suberinschicht zwischen den beiden Zelltypen, wenn vorhanden, die CO2-Diffusion auf die Plasmodesmen. Man schätzt, dass je nach Spezies zwischen 10 bis 30% des in die Bündelscheidenchloroplasten beförderten CO2
durch Rückdiffusion verloren gehen.
In Maisblättern unterscheiden sich die Chloroplasten aus Mesophyll- und Bündelscheidenzellen in ihrer Struktur. Während die Chloroplasten aus Mesophyllzellen
ausgeprägte Granabezirke aufweisen, enthalten die Bündel-
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scheidenchloroplasten in erster Linie Stromalamellen, es finden sich dort nur wenige Granabezirke. In Abschnitt 3.10 wurde besprochen, dass das Photosystem II in Stromalamellen oft nur wenig aktiv ist. Tatsächlich besitzen Bündelscheidenchloroplasten eine sehr niedrige Photosystem-II-Aktivität. Ihre Funktion besteht in erster Linie in der Bereitstellung von ATP durch cyclische Photophosphorylierung über das Photosystem I. Das für den reduktiven Pentosephosphatweg erforderliche NADPH muss daher durch linearen photosynthetischen Elektronentransport von den Mesophyllchloroplasten bereitgestellt werden. Dies geschieht zum einen durch das bei der oxidativen Decarboxylierung des Malats gebildete NADPH, das ursprünglich in den Mesophyllzellen für die Reduktion des Oxalacetats aufgewandt wurde. Zum anderen wird NADPH zusammen mit ATP durch einen Triosephosphat-3-Phosphoglycerat-Shuttle über Phosphat-Translokatoren in den inneren Hüllmembranen beider Chloroplasten von den Mesophyllchloroplasten in die Bündelscheidenchloroplasten transferiert (Abb. 8.13).
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C4-Stoffwechsel des NAD-Malat-Enzymtyps
Den NAD-Malat-Enzymtyp, der in dem Stoffwechselschema von Abbildung 8.14 dargestellt ist, findet man unter anderem in der Rispenhirse. Hier wird das durch Phosphoenolpyruvat-Carboxylase gebildete Oxalacetat im Cytosol über Transaminierung durch Glutamat-Aspartat-Aminotransferase zu Aspartat
umgesetzt. Da die Oxalacetatkonzentrationen in der Zelle im Bereich unterhalb von 0,1 mM liegen, kann Oxalacetat keinen Diffusionsgradienten für einen ausreichend hohen Diffusionsfluss in die Bündelscheidenzellen bilden. Wegen der hohen Konzentrationen des Glutamats in der Zelle können durch die Transaminierung hingegen Aspartatkonzentrationen im Bereich von 5 bis 10 mM aufgebaut werden. Dadurch eignet sich Aspartat sehr gut für einen Diffusionsfluss zwischen den Mesophyll- und Bündelscheidenzellen.
Nach Diffusion in die Bündelscheidenzellen gelangt Aspartat über einen Translokator in die Mitochondrien. Katalysiert durch ein dort vorhandenes Isoenzym der Glutamat-Aspartat-Aminotransferase reagiert das Aspartat wieder zu Oxalacetat, das dann von NAD-Malat-Dehydrogenase zu Malat umgesetzt wird. Dieses Malat wird dann durch das NAD-Malat-Enzym der Mitochondrien oxidativ zu Pyruvat decarboxyliert; das bei der Malat-Dehydrogenasereaktion gebildete NAD+ wird so wieder zu NADH reduziert. Das in den Mitochondrien freigesetzte CO2 diffundiert in die sich in sehr enger Nachbarschaft befindlichen Chloroplasten und steht so als Substrat für die RubisCO zur Verfügung. Das Pyruvat verlässt über den Pyruvattranslokator die Mitochondrien und wird in Cytosol durch eine Alanin-Glutamat-Aminotransferase zu Alanin umgesetzt. Da im Gleichgewicht dieser Reaktion die Konzentration von Alanin viel höher ist als die von Pyruvat, erfolgt ein hoher
Diffusionsfluss des Alanin in die Mesophyllzellen. Dort wird Alanin durch ein Isoenzym der oben genannten Aminotransferase zu Pyruvat umgesetzt, um nach Eintritt in die Chloroplasten wie beim NADP-Malat-Enzym-Typ durch die Pyruvat-Phosphat-Dikinase zu Phosphoenolpyruvat zu reagieren.
Wie in Abbildung 8.14 gezeigt, wird das NADH, welches bei der Oxidation des Malats durch das NAD-Malat-Enzym in den Mitochondrien anfällt, vollständig verbraucht, um das Oxalacetat zu Malat zu reduzieren. Für den Elektronentransport der Atmungskette und die damit verbundene ATP-Synthese stehen bei diesem Weg keine Reduktionsäquivalente zur Verfügung. Um dennoch eine mitochondriale ATP-Synthese zu ermöglichen, werden bei dem NAD-Malat-Enzymtyp etwa 10 % des durch Phosphoenolpyruvat-Carboxylase
gebildeten Oxalacetats wie bei dem NADP-Malat-Enzymtyp Abbildung 8.11 in den Chloroplasten zu Malat reduziert, das dann zu den Mitochondrien in den Bündelscheidenzellen transportiert wird. Das dort durch das Malat-Enzym gebildete NADH kann von der Atmungskette zur Gewinnung von ATP genutzt werden. In gleicher Weise wird auch bei dem im Folgenden behandelten Phosphoenolpyruvat-Carboxykinasetyp die Malatoxidation durch die Mitochondrien zur ATP-Gewinnung eingesetzt, wie im unteren Teil des Stoffwechselschemas
von Abbildung 8.15 skizziert ist.
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C4-Stoffwechsel des Phosphoenolpyruvat-Carboxykinasetyps
Man findet diesen Typ in einigen schnellwachsenden tropischen Gräsern, die als Futterpflanzen von Bedeutung sind. Abbildung 8.15 zeigt ein Schema des Stoffwechselablaufes. Wie bei dem NAD-Malat-Enzymtyp wird in den Mesophyllzellen zunächst aus Oxalacetat Aspartat gebildet und diffundiert in die
Bündelscheidenzellen. Die Rückgewinnung des Oxalacetats erfolgt hier durch
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eine Aminotransferase im Cytosol. Dort findet auch die Freisetzung des CO2 durch Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase statt. CO2 diffundiert in die Chloroplasten. Das verbleibende Phosphoenolpyruvat diffundiert zurück in die Mesophyllzellen.
Bei diesem C4-Typ liegt der ATP-Verbrauch für die CO2-Pumpe vor allem bei der Carboxykinasereaktion (Abb. 8.10). Auch hier besitzen die Mitochondrien eine hohe Aktivität an NAD-Malat-Enzym. Die Bereitstellung von Reduktionsäquivalenten für die Atmungskette zur ATP-Synthese erfolgt, wie oben schon für den NAD-Malat-Enzymtyp beschrieben, durch eine Bereitstellung von Malat durch die Mesophyllzellen (Abb. 8.15, unterer Teil). So
wird bei dem Phosphoenolpyruvat-Carboxykinasetyp ein Teil des CO2 auch in den Mitochondrien freigesetzt.
Es sei erwähnt, dass für den C4-Stoffwechsel die besprochene Kranzanatomie mit Mesophyll- und Bündelscheidenzellen keine zwingende Voraussetzung ist. In Einzelfällen kann die räumliche Trennung der Vorfixierung des CO2 durch PEP-Carboxylase und der endgültigen Fixierung durch RubisCO auch in anderer Weise erfolgen. Man hat kürzlich in einer Spezies der Chenopodiacae
nachgewiesen, dass dort ein C4-Stoffwechsel in einheitlichen, sehr langgestreckten Zellen abläuft, bei denen sich eine Zellschicht mit PEP-Carboxylase am peripheren Ende im Cytoplasma und am proximalen Ende RubisCO-haltige Chloroplasten befinden. Wenngleich dies ein Sonderfall ist, zeigt es doch, wie variabel das C4-System ist.
Enzyme des C4-Stoffwechsels werden durch Licht reguliert
Phosphoenolpyruvat-Carboxylase (PEP-Carboxylase), das Schlüsselenzym des C4-Stoffwechsels, unterliegt einer strikten Regulation. Im verdunkelten Blatt liegt das Enzym in einer nur wenig aktiven Form vor. Die Affinität dieser Enzymfonn zum Substrat PEP ist sehr gering, und es wirken schon geringe Konzentrationen von Malat hemmend. Dadurch ist das Enzym im Blatt
während der Dunkelphase praktisch inaktiv. Bei Belichten des Blattes wird eine Protein-Serin-Kinase aktiviert, durch welche die OH-Gruppe eines Serinrestes in der PEP-Carboxylase mit einem Phosphat verestert wird; die PEP-Carboxylase wird dadurch aktiviert. Durch eine Protein-Serin-Phosphatase wird das Serinphosphat wieder gespalten und damit inaktiviert (vgl. Abb. 9.18A, Abb. 10.9). Das durch Phosphorylierung aktivierte Enzym wird ebenfalls
durch Malat gehemmt, allerdings erst durch weit höhere Konzentrationen als das nicht phosphorylierte inaktive Enzym. Durch diese Rückkopplungshemmung durch Malat kann die Geschwindigkeit der irreversiblen Carboxylierung des PEP so justiert werden, dass sich ein bestimmter Malatspiegel in der Mesophyllzelle einstellt. Es ist noch nicht bekannt, durch welches Signal bei Belichten die Aktivität der Protein-Kinase ausgelöst wird.
NADP-Malat-Debydrogenase wird durch Vermittlung von reduziertem Thioredoxin durch Licht reguliert, wie in Abschnitt 6.6 beschrieben.
Pyruvat-Phosphat-Dikinase wird ebenfalls im Licht aktiviert. Dieses Enzym wird durch Phosphorylierung eines Threoninrestes reguliert. Die
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Phosphorylierung wird durch ein spezielles Regulatorprotein katalysiert, dabei wirkt ADP in ungewöhnlicher Weise als Phosphatdonor. Bei der Pyruvat-Phosphat-Dikinase ist die dephosphorylierte Form aktiv. Es handelt sich also um einen völlig anderen Regulationsmechanismus als bei der Regulation der PEP-Carboxylase. Die Signalkette von der Belichtung zur Dephosphorylierung des Enzyms ist noch nicht bekannt.
Produkte des C4-Stoffwechsels können durch Massenspektrometrie identifiziert werden
Über eine Messung der Verteilung des 12C- und des 13C-Isotops in einem Photosyntheseprodukt lässt sich ermitteln, ob dieses durch C3 oder C4
-Stoffwechsel gebildet wurde. 12C und 13C kommen als natürliche Isotope des Kohlenstoffs in der Atmosphäre zu 98,89 % beziehungsweise 1,11 % vor. Wegen eines Isotopeneffekts reagiert RubisCO mit 12CO2 rascher als mit 13CO2. Bei den Produkten der C3-Photosynthese ist daher das Verhältnis 13C/12C
niedriger als in der Atmosphäre. Das 13C/12-Verhältnis kann massenspektrometrisch bestimmt werden und wird als δ-13C-Wert ausgedrückt:
Als Standard benutzt man die Verteilung in einem definierten Kalkstein. Man findet in Produkten der C3 -Photosynthese (δ-13C-Werte um - 28‰. Bei der PEP-Carboxylase ist die Präferenz für 12C gegenüber 13C weniger ausgeprägt. Da in C4-Pflanzen praktisch das gesamte CO2 das einmal durch die PEP-Carboxylase vorfixiert wurde, in den Bündelscheidenchloroplasten mit der RubisCO weiter reagiert, haben Photosyntheseprodukte von C4-Pflanzen einen
δ-13C-Werte um - 14‰. Man kann so durch massenspektrometrische Analyse des 13C/12C-Verhältnisses feststellen, ob beispielsweise Saccharose von Zuckerrüben (C3 ) oder Zuckerrohr (C4) gebildet wurde.
Zu den C4-Pflanzen gehören wichtige Agrarpflanzen, aber auch hartnäckige Unkräuter
Beim C4-Stoffwechsel wird zwar ATP verbraucht, um CO2 in den Bündelscheidenzellen zu konzentrieren, dafür werden aber auch die Energieverluste, die bei den C3-Pflanzen durch Photorespiration entstehen, vermieden. Wie bereits in Abschnitt 6.2 besprochen, steigt bei der RubisCO das Verhältnis Oxygenierung zu Carboxylierung mit der Temperatur an. Bei niedrigen Temperaturen und entsprechend niedriger Photorespirationsrate sind C3 -Pflanzen im Vorteil. Daher gibt es in gemäßigten Klimaten fast keine C4-Pflanzen als Wildpflanzen. Der Vorteil der C4-Pflanzen macht sich erst bei Temperaturen oberhalb von 25 °C bemerkbar, bei denen der Energieverbrauch der Photosynthese (gemessen als Quantenbedarf der CO2-Fixierung) bei C4-Pflanzen
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geringer ist als bei C3-Pflanzen. Grund hierfür ist, dass bei steigender Temperatur das Verhältnis Oxygenierung/Carboxylierung zunimmt und damit auch der Energieverbrauch für die Photorespiration. C4-Pflanzen haben den weiteren Vorteil, dass sie wegen der hohen CO2-Konzentration in den Bündelscheidenchloroplasten mit weniger RubisCO auskommen. Da RubisCO das Hauptprotein der Blätter ist, brauchen C4-Pflanzen weniger Stickstoff zur Bildung des Photosyntheseapparates als C3 -Pflanzen. Daher erreichen viele C4-Pflanzen bei vergleichsweise niedrigerem Stickstoffgehalt in den Blättern höhere Wachstumsraten als C3-Pflanzen. Schließlich benötigen C4-Pflanzen weniger Wasser. Wegen dieser Vorteile eignen sich C4-Pflanzen in wärmeren Klimazonen als Agrarpflanzen - für die Produktion von Erntefrüchten oder als Futterpflanzen. Elf von zwölf der am schnellsten wachsenden Agrarpflanzen
sind C4-Pflanzen. Man hat abgeschätzt, dass etwa 20% der terrestrischen Photosynthese durch C4-Pflanzen erfolgt. Ein Nachteil ist jedoch, dass viele C4
-Agrarpflanzen - darunter Mais, Hirse und Zuckerrohr - kälteempfindlich sind und daher in weiten Teilen der Erde nicht angebaut werden können. Man findet aber unter den C4-Pflanzen auch besonders hartnäckige Unkräuter. Von den zehn weltweit am schlimmsten eingestuften Unkräutern sind acht C4-Pflanzen (z.B. Bermudagras (Cynodon dactylon), Barnyardgrass (Echinochloa crus-galli).
8.4 Durch den Crassulaceensäure-Stoffwechsel können viele Pflanzen auch noch bei sehr großem Wassermangel überleben
Viele Pflanzen, die an sehr trockenen und oft heißen Standorten beheimatet sind, haben eine Strategie entwickelt, um bei sehr großem Wassermangel nicht nur zu überdauern, sondern auch Photosynthese zu betreiben. Zu diesen Pflanzen gehören beispielsweise die dickblättrigen Crassulaceen, wie die Zimmerpflanze Kalanchoe oder die in den Alpen beheimatete Hauswurz, alle Kakteen, aber auch Pflanzen, die als Epiphyten in tropischen Regenwäldern wachsen, darunter die Hälfte der Orchideen. Diese Pflanzen lösen das Problem des Wasserverlustes bei der Photosynthese dadurch, dass sie ihre Stomata nur nachts öffnen, wenn es kühl und die Luftfeuchtigkeit hoch ist. Das zu nächtlicher Zeit aufgenommene CO2 wird vorfixiert und das Fixierungsprodukt in Form einer Säure bis zum folgenden Tag deponiert. Durch Wiederfreisetzung des CO2 kann dann tagsüber der Calvin-Cyclus bei geschlossenen Stomata mit CO2 gespeist werden. Abbildung 8.16 zeigt ein grobes Schema dieses Prozesses. Man beachte die sehr große Ähnlichkeit dieses Reaktionsschemas mit dem Grundschema des C4
-Stoffwechsels in Abbildung 8.9.
Da der genannte Stoffwechsel im Detail zuerst in Crassu1aceen (Dickblattgewächsen) aufgeklärt wurde und mit der Speicherung einer Säure verbunden ist, hat man ihn als Crassulaceensäure-Stoffwechsel (engl. crassulace-
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an acid metabolism, abgekürzt CAM) benannt. Häufig spricht man auch von CAM-Pflanzen. Vom Menschen genutzte CAM-Pflanzen sind Ananasund die Sisalagave zur Gewinnung von Fasern (Sisal-Teppiche).
Erste Beobachtungen von Phänomenen des CAM-Stoffwechsels liegen sehr weit zurück. Im Jahre 1804 beobachtete der französische Naturforscher de Saussure, dass Zweige der Kaktee Opuntia auch in Abwesenheit von CO2 beim Belichten Sauerstoff produzierten. Er schloss daraus, dass die Pflanze durch Verbrauch eigener Substanzen CO2 entwickeln kann, das dann in der
CO2-Assimilation genutzt wird. Der Engländer Benjamin Heyne bemerkte in seinem Garten in Indien, dass die Blätter der dort beliebten Zierpflanze Bryophyllum calycinum nachmittags einen Kräutergeschmack hatten, zu Beginn des Tages jedoch scheußlich sauer schmeckten. Er fand diese Beobachtung so bemerkenswert, dass er sie nach seiner Rückkehr nach England 1813 der Linnean Society mitteilte.
Das während der Nacht fixierte CO2 wird als Äpfelsäure gespeichert
Die nächtliche Vorfixierung des CO2 an PEP erfolgt durch Phosphoenolpyruvat- Carboxylase in prinzipiell gleicher Weise wie beim C4-Stoffwechsel und auch beim Stoffwechsel der Schließzellen. In vielen CAM-Pflanzen ist die Ausgangssubstanz für die Bereitstellung des Phosphoenolpyruvats Stärke, die in den Chloroplasten vorhanden ist. Aber auch lösliche Zucker, wie Saccharose (Abschn. 9.2) und Fructane (Abschn. 9.5), können in manchen CAMPflanzen als Kohlenstoffspeicher für die Bildung von PEP dienen. Abbildung 8.17 zeigt ein Schema des CAM-Stoffwechsels mit Stärke als Kohlenstoffreserve. Die Stärke wird in den Chloroplasten bis zu Triosephosphat abgebaut (siehe Abschn. 9.1). Letzteres wird aus den Chloroplasten über
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den Triosephosphat-Phosphat-Translokator (siehe Abschn. 1.8) exportiert und im Cytosol zu Phosphoenolpyruvat umgesetzt.
Das bei der Fixierung des CO2 gebildete Oxalacetat wird durch eine cytosolische NAD-Malat-Dehydrogenase zu Malat reduziert. Das hierfür erforderliche NADH fällt bei der Oxidation des Triosephosphats an. Das Malat wird unter Verbrauch von Energie in die Vakuolen gepumpt. Wie schon für den Stoffwechsel der Schließzellen besprochen (Abschn. 8.2), besteht der energieverbrauchende Schritt im Transport von Protonen durch die H+-V-ATPase der Vakuolenmembran. Im Gegensatz zu den Schließzellen erfolgt jedoch kein Austausch der importierten Protonen gegen Kalium-Ionen; das durch das Protonenpotenzial über einen Malatkanal aufgenommene Malat wird in den Vakuolen als Äpfelsäure, der protonierten Form von Malat, gespeichert. Dadurch wird der Vakuoleninhalt nachts sehr azide (etwa pH 3,0). Bei der Äpfelsäure hat die Carboxygruppe in Position 1 einen pK-Wert von
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3,4 und die in Position 4 einen pK-Wert von 5,1. Bei pH 3 ist daher die Apfelsäure weitgehend undissoziiert. Bei einer Speicherung von Äpfelsäure wird nur etwa ein Drittel des osmotischen Druckes erzeugt, der bei der Speicherung von Kaliummalat (2 K+ + Malat2-) in den Schließzellen entsteht. In anderen Worten: Bei einem bestimmten osmotischen Druck kann in Form von Äpfelsäure fast dreimal soviel Malat gespeichert werden als in Form von Kaliummalat. Um eine hohe Speicherkapazität zu erzielen, sind in den meisten CAM-Pflanzen die Vakuolen ungewöhnlich groß, dies führt zur Succulenz, der Ausbildung dicker, fleischiger Blätter und Stängel, wie sie beispielsweise bei Kakteen zu beobachten ist. Das für den Stoffwechsel erforderliche ATP wird durch die Veratmung von Malat durch die Mitochondrien bereitgestellt.
Die Photosynthese erfolgt bei geschlossenen Stomata
Das in der Nacht gespeicherte Malat wird während des Tages aus der Vakuole durch einen regulierten Ausfluss über den Malatkanal wieder entlassen. Ebenso wie bei den Schließzellenvakuolen, so ist auch hier der Mechanismus des regulierten Ausflusses noch nicht verstanden. Analog zum CC4-Stoffwechse1 erfolgt auch beim CAM-Stoffwechsel die Freisetzung des CO2
in verschiedenen Pflanzen auf unterschiedliche Weise, entweder über NADP-Malat-Enzym, NAD-Malat-Enzym, oder auch über die Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase.
In Abbildung 8.18 wird dieser Stoffwechselablauf für den NADP-Malat-Enzymtyp beschrieben. Das Malat wird durch einen spezifischen Translokator in die Chloroplasten aufgenommen und dort unter Bildung von NADPH decarboxyliert; das CO2 dient als Substrat der RubisCO. Das verbleibende Pyruvat wird durch Pyruvat-Phosphatdikinase zu Phosphoenolpyruvat umgesetzt (siehe Abbildungen 8.11, 8.12, 8.14, 8.15). Da in der Regel Plastiden Phosphoenolpyruvat nicht zu 3-Phosphoglycerat umsetzen können (bei CAM-Chloroplasten ist dies bislang nicht untersucht), ist in dem Schema von Abbildung 8.18 ein Export von Phosphoenolpyruvat und ein Import von 3-Phosphoglycerat eingezeichnet. CAM-Chloroplasten enthalten einen Phosphoenolpyruvat-
Phosphat-Translokator, der Phosphoenolpyruvat im Gegentausch mit anorganischem Phosphat transportiert. Das ebenfalls im Gegentausch mit Phosphat importierte 3-Phosphoglycerat wird in den Calvin- Cyclus eingespeist. Das gebildete Triosephosphat dient vorrangig der Auffüllung der in der Nacht verbrauchten Stärke, es entsteht nur ein geringer Überschuss, der den eigentlichen Gewinn der CAM-Photosynthese darstellt.
Da die Photosynthese bei geschlossenen Stomata stattfindet, ist der Wasserverlust beim CAM-Stoffwechsel sehr gering. Der Wasserbedarf der CO2-Assimilation (vgl. Abb. 8.6) beträgt bei der CAM-Photosynthese nur 5 bis 10 % des entsprechenden Betrages bei der Photosynthese von C3 -Pflanzen. Dafür ist nicht zuletzt wegen der eingeschränkten Speichermöglichkeit für Malat der tägliche Zuwachs an Biomasse bei den CAM-Pflanzen sehr niedrig. Daher wachsen bei CAM-Stoff wechsel Pflanzen nur sehr langsam.
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Nicht selten dient der CAM-Stoffwechsel jedoch als Strategie, um ausgedehnte Trockenperioden zu überleben. Es gibt Pflanzen - dazu gehört die „Mittagsblume" Mesembryanthemum -, die bei Verfügbarkeit von Wasser normale C3-Photosynthese durchführen und erst bei Einsetzen von Trockenheit oder Salzstress durch Enzyminduktion auf den CAM-Stoffwechsel umschalten. Es lässt sich durch massenspektrometrische Analyse des 13/12C-Verhältnisses (Abschn. 8.4) nachweisen, ob eine fakultative CAM-Pflanze einen C3 oder CAM-Stoffwechsel betreibt. Kakteen in Wüstenregionen können für lange Zeit überleben, ohne die Stomata selbst in der Nacht zu öffnen, indem das durch Atmung freigesetzte CO2 durch CAM-Stoffwechsel wieder der Photosynthese zugeführt wird.
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C4- wie auch CAM-Pflanzen findet man in vielen verwandtschaftlich weit voneinander entfernten Familien mono- und dikotyler Pflanzen. Daraus geht hervor, dass sowohl der C4
- als auch der CAM-Stoffwechsel sich im Verlaufe der Evolution oftmals unabhängig voneinander aus C3 -Vorläufern entwickelt haben, in denen die Strukturelemente und die Enzyme von C4- und CAM-Pflanzen vorhanden sind (zum Beispiel, wie wir gesehen haben, in den Schließzellen der Stomata).nach oben zum Kapitelanfang
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9 Polysaccharide sind Speicher- und Transportform der bei der Photosynthese gebildeten Kohlenhydrate
In höheren Pflanzen werden über die Photosynthese in den Blättern auch die anderen verschiedenartigen heterotrophen Pflanzengewebe versorgt, beispielsweise
die Wurzeln. Die von den Blättern angelieferten Substrate werden in den Wurzelzellen durch die vielen dort vorhandenen Mitochondrien unter Gewinnung von ATP oxidiert. Dieses ATP ist unter anderem erforderlich, um die Ionenpumpen der Wurzeln zu betreiben, durch die Mineralien von der Umgebung aufgenommen werden. Daher ist der durch die Blätter versorgte Atmungsstoffwechsel der Wurzeln für die Pflanze von ausschlaggebender Bedeutung. Eine Pflanze stirbt, wenn - beispielsweise durch übermäßige Nässe des Bodens - die Wurzeln nicht mehr ausreichend belüftet werden, und sie so
nicht mehr genug Sauerstoff für die Wurzelatmung zur Verfügung haben.
Für die Versorgung der verschiedenen Pflanzenteile durch die Siebröhren dienen zumeist das Disaccharid Saccharose, in manchen Pflanzen aber auch höhermolekulare lösliche Oligosaccharide (z.B. Tri- und Tetrasaccharide) als Transportform für Substrate. Da Kohlenhydrate bei der Photosynthese nur im Licht gebildet werden, müssen sie gespeichert werden, damit die Energieversorgung
auch in der Nacht oder bei schlechten Witterungsbedingungen gewährleistet ist. Zudem muss eine Pflanze Kohlenhydratspeicher für die Überbrückung von Winter- oder Trockenperioden oder als Depot in Samen für das Wachstum der folgenden Generation anlegen. Zu diesem Zweck werden Kohlenhydratesowohl als niedermolekulare Oligosaccharide als auch in Form
von hochmolekularen Polysacchariden, insbesondere als Stärke und Fructane gespeichert.
In vielen Pflanzen sind Stärke und Saccharose die Hauptprodukte der CO2-Assimilation
In den meisten Kulturpflanzen, zum Beispiel den verschiedenen Getreiden, der Kartoffel, Zuckerrübe und Raps, erfolgt die Speicherung der Kohlenhydrate im Blatt als Stärke und der Export in andere Pflanzenteile, beispielsweise die Wurzel, in Form von Saccharose. Das in den Chloroplasten als Produkt der CO2-Assimilation gebildete Triosephosphat wird über den in Abschnitt 9.1 besprochenen Triosephosphat-Phosphat-Translokator im Gegentausch mit Phosphat in das Cytosol transportiert und dort zu Saccharose umgesetzt (Abb. 9.1). Dabei wird anorganisches Phosphat frei, das wieder in die Chloroplasten über den Triose-P-P-Translokator zurücktransportiert wird. Dieser Rücktransport ist essentiell, bei einem Phosphatmangel würde die Photosynthese zum Still-
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stand kommen. Ein Teil des durch die Photosynthese gebildeten Triosephosphats wird in den Chloroplasten als Stärke deponiert, diese dient hauptsächlich als Reserve für die folgende Nachtperiode.
9.1 In Form von Stärke können in der Zelle sehr große Kohlenhydratmengen gespeichert werden
Glucose ist eine relativ unbeständige Verbindung, da ihre Aldehydgruppe spontan zu einer Carboxygruppe oxidiert werden kann. Daher ist Glucose als Speicherform der Kohlenhydrate wenig geeignet. Dazu kommt, dass in einer Zelle die Speicherung von Monosacchariden aus osmotischen Gründen stark begrenzt wäre. Durch Polymerisation zu der osmotisch unwirksamen Stärke können in einer Zelle hingegen sehr große Mengen von Glucosemolekülen gelagert werden, ohne dass sich dabei der osmotische Druck des Zellsaftes ändert. Dies soll durch ein Beispiel illustriert werden: In Kartoffelblättern kann man am Ende des Tages einen Stärkegehalt von 10-4 mol Glucoseeinheiten pro mg Chlorophyll beobachten. Wenn diese Glucosemenge sich als freie Glucose über die Mesophyllzelle verteilen würde, ergäbe dies eine Glucosekonzentration von 0,25 M. Dies würde einen mehr als 50 %igen Anstieg des osmotischen Druckes des Zellsaftes bewirken.
In der Stärke sind die Glucosemoleküle in erster Linie durch (α1➨4)-glycosidische Bindungen verknüpft (Abb. 9.2). Durch diese Verknüpfungen sind die Aldehydgruppen der Glucosemoleküle gegen Oxidation geschützt, lediglich die erste, in Abbildung 9.2 rot markierte Glucose ist ungeschützt. Es wer-
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den lange Glucoseketten gebildet, die durch (α1➨6)-glycosidische Bindungen verzweigt sein können. Durch die Verzweigungen erhält ein Stärkemolekül viele endständige Gruppen, an denen das Stärkemolekül durch Bindung weiterer Glucosereste vergrößert werden kann.
Die Bildung von Stärke ist in der Pflanze im Wesentlichen auf Plastiden (Abschn. 1.3)
beschränkt: Chloroplasten in Blättern und grünen Früchten und Leukoplasten in heterotrophen Geweben. Die Stärke wird in den Plastiden in Form von Stärkekörnern (Stärkegranula) gelagert (Abb. 9.3). In den Chloroplasten eines Blattes sind die Stärkegranula am Ende eines Tages sehr groß
und werden im Laufe der Nacht dann weitgehend abgebaut. Man spricht hier
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von transitorischer Stärke. Hingegen wird die Stärke in Speicherorganen, wie Samen oder Knollen, auf längere Dauer angelegt, man bezeichnet diese Stärke als Depotstärke. Die Granula der Depotstärke sind größer als die der transitorischen Stärke. In Getreidekörnern bildet Depotstärke oft 65 bis 75 % und in Kartoffelknollen sogar 80 % des Trockengewichts. Es gibt aber auch kleinere
α-Glucane im Cytosol. Wie in einem weiteren Abschnitt dieses Kapitels behandelt, haben die cytosolischen α-Glucane eine Funktion bei der Verstoffwechselungder beim Stärkeabbau entstehenden Maltose.
Stärkegranula bestehen hauptsächlich aus Amylopectin und Amylose. (Tab. 9.1). Zudem enthalten Stärkegranula Enzyme für die Synthese und den Abbau der Stärke. Diese Enzyme liegen in mehreren Isoformen vor, von denen manche an die Stärkegranula gebunden und andere löslich sind. Die Amylose besteht weitgehend aus unverzweigten Ketten von etwa 1000 Glucosemolekülen. Amylopectin ist mit 104 bis 105 Glucosemolekülen wesentlich größer als Amylose, es besitzt alle 20 bis 25 Glucosereste eine Verzweigung Abb. 9.4 und 9.5. Neuere Ergebnisse der Röntgenstrukturanalyse (Abschn. 3.3) zeigen, dass ein Stärkegranulum aus konzentrischen Schichten aufgebaut ist. Die Amylopektinmoleküle sind radial angeordnet (Abb. 9.5). Die reduzierende Glucose (in Abbildungen 9.2
und Abb. 9.4 rot markiert) ist nach innen gerichtet und die Enden der Verzweigungen (schwarz markiert) nach außen. Die Einführung der Amylose in diese Strukturen ist weitgehend unbekannt.
Ein Stärkegranulum enthält normalerweise 20 bis 30 % Amylose und 70 bis 80 % Amylopectin. Einen Amyloseanteil von bis zu 80 % haben runzlige Erbsen, die Gregor Mendel bei seinen klassischen Züchtungsversuchen verwendete. Es gibt Mutanten von Mais (so genannte waxy-Mutanten), bei denen die Stärkegranula fast nur aus Amylopectin bestehen. Andererseits hat man Amylomais gezüchtet, dessen Stärke zu 50 % aus Amylose besteht. Es ist gelungen, durch gentechnische Methoden transgene Kartoffelpflanzen zu erzeugen, die in ihren Knollen nur noch Amylopectin enthalten. Ein einheitlicher
Stärkegehalt ist für die Verwendung der Stärke als vielseitiger Rohstoff in der chemischen Industrie von Bedeutung.
Amylose und Amylopectin bilden mit Jod-Molekülen blau bis violett gefärbte Einschlussverbindungen (Tabelle 9.1). Dadurch lässt sich in einem Blatt Stärke durch einen einfachen Jodtest sehr leicht nachweisen.
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Die Synthese von Stärke verläuft über ADP-Glucose
Ausgangsprodukt für die Stärkesynthese in Chloroplasten ist Fructose-6- phosphat, ein Intermediat des Calvin-Cyclus (Abb. 9.6). Durch die Hexosephosphat-Isomerase wird Fructose-6-phosphat zu Glucose-6-phosphat isomerisiert, bei dieser Reaktion entsteht als Zwischenprodukt am Enzym ein cis-Endiol. Phosphoglucomutase überträgt den Phosphatrest der Glucose von der 6-Position in die 1-Position. Ein entscheidender Schritt für die Stärkesynthese ist die Aktivierung des Glucose-1-phosphats durch die Reaktion mit ATP zu ADP-Glucose unter Freisetzung von Pyrophosphat. Diese durch das Enzym ADP-Glucose-Pyrophosphorylase katalysierte Reaktion Abb. 9.7 ist
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reversibel. Eine hohe Aktivität der Pyrophosphatase im Chloroplastenstroma sorgt jedoch dafür, dass das gebildete Pyrophosphat sofort zu Phosphat hydrolysiert wird. Es wird so dem Gleichgewicht entzogen, dadurch wird die Bildung von ADP-Glucose zu einem irreversiblen Schritt und ist damit für eine Regulation besonders geeignet. Der amerikanische Biochemiker Jack Preiss,
der sich eingehend mit der ADP-Glucose-Pyrophosphorylase befasst hat, entdeckte, dass diese durch 3-Phosphoglycerat allosterisch aktiviert und durch Phosphat gehemmt wird. Die Bedeutung dieser Regulation soll uns am Schluss dieses Abschnittes beschäftigen. Von der ADP-Glucose wird der Glucoserest durch Stärke-Synthasen auf die OH-Gruppe in 4-Position des endständigen
Glucosemoleküls der wachsenden Polysaccharidkette übertragen Abb. 9.7. Die Ablage von Glucoseresten in einem Stärkekom erfolgt durch ein Zusammenspiel mehrerer Stärke-Synthase-Isoenzyme. So sind an der Synthese von Amylopectin mindestens 3 Isoenzyme beteiligt, und ein weiteres an
der Synthese von Amylose.
Verzweigungen werden durch ein Verzweigungsenzym (engl. branching enzyme) hergestellt. Bei bestimmten Kettenlängen wird die Polysaccharidkette durch Bruch der (α1➨4)-Verknüpfung gespalten (Abb. 9.8) und der abgespaltene Kettenrest mit einer benachbarten Kette über eine (α1➨6)-Verknüpfung verbunden. Durch Stärke-Synthase findet eine weitere Verlängerung der Ketten statt, bis eine neue Verzweigung gebildet wird. Es werden aber auch während der Stärkesynthese durch das im nachfolgenden Abschnitt besprochene Entzweigungsenzym Verzweigungen wieder gelöst. Man nimmt an, dass
der Verzweigungsgrad der Stärke auch durch die Aktivitäten von Verzweigungs- und Entzweigungsenzym bestimmt wird. Die bereits erwähnten runzligen Erbsen mit einem hohen Amyloseanteil sind auf eine verminderte Aktivität des Verzweigungsenzyms in diesen Pflanzen (und damit einen insgesamt verminderten Stärkegehalt) zurückzuführen.
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Der Abbau von Stärke erfolgt auf zwei verschiedenen Wegen
Der Abbau der Stärke erfolgt in zwei grundsätzlich verschiedenen Reaktionen (Abb. 9.9). Amylasen katalysieren eine hydrolytische Spaltung (α1➨4)-glycosidischer Bindungen. Es gibt verschiedene Amylasen, die jeweils an unterschiedlichen Stellen der Stärkemoleküle angreifen (Abb. 9.10). Die Exo-
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amylasen spalten vom Ende her. Eine wichtige Exoamylase ist die ß-Amylase, die sukzessive jeweils zwei Glucosereste in Form des Dissaccharids ß-Maltose (Abb. 9.11) abspaltet (die OH-Gruppe in 1-Position befindet sich in der ß-Konfiguration). Amylasen, die im Innern der Stärkeketten spalten (Endoamylasen), führen zu Spaltprodukten, bei denen die OH-Gruppe in 1-Position in
a-Stellung vorhanden ist, sie werden entsprechend als α-Amylasen bezeichnet. Durch Entzweigungsenzyme (engl. debranching enzymes) werden die (α1➨6)-Verknüpfungen der Verzweigungsstellen hydrolytisch gespalten.
Phosphorylasen (Abb. 9.9) sind Enzyme, die vom Ende her (α1➨4)-Verknüpfungen unter Bildung von Glucose-1-phosphat phosphorolytisch spalten. Da hierbei die Energie der glycosidischen Bindung genutzt wird, um einen Phosphatester zu bilden, wird so für die Speicherung eines Glucoserestes als Stärke nur 1 Molekül ATP verbraucht, während bei der Stärkehydrolyse durch Amylasen der ATP-Bedarf verdoppelt ist. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass der Abbau der transitorischen Stärke in erster Linie durch ß-Amylasen erfolgt.
Plastiden enthalten eine α-Glucan-Wasser-Dikinase durch welche Glucosereste der Stärke selektiv in der 6-Position durch ATP phosphoryliert werden. Die Phosphorylierung erfolgt nach dem Typ einer Dikinase-Reaktion (siehe auch Abb. 8.12) in welcher drei Substrate, ein α-Polyglucan, ATP und H2O in drei Produkte α-Polyglucan-P, AMP und Phosphat überführt werden.
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Durch eine α-Glucanphosphat-Wasser-Dikinase wird die an C6 posphorylierte Stärke weiter in der 3-Position phosphoryliert. Diese Phosphorylierung der Stärke erfolgt schon bei der Synthese der Stärke und ist aber für den Abbau der Stärke essentiell. Arabidopsis-Mutanten bei denen die α-Glucan-Wasser-Dikinase ausgeschaltet war, zeigten eine starke Störung des Stärkeabbaues.
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Durch die Stärkesynthese können in den Chloroplasten überschüssige Photosyntheseprodukte zwischengelagert werden
Abbildung 9.12 gibt einen Überblick über den Aufbau und den Abbau der transitorischen Stärke in Chloroplasten. Die bereits erwähnte Regulation der ADP-Glucose-Pyrophosphorylase durch 3-Phosphoglycerat (3-PGA) und Phosphat (P) ermöglicht eine Steuerung des Kohlenhydratflusses in die Stärke. Bestimmend für die Aktivität des Enzyms ist der Konzentrationsquotient 3-PGA/P.3-PGA ist ein Hauptmetabolit im Chloroplastenstroma, seine Konzentration ist aufgrund der Gleichgewichtslage der Phosphoglycerat-Kinase und
der Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenasereaktion (Abschn. 6.3)
viel höher als die des Triosephosphats. Da die Gesamtmenge an Phosphat und den phosphorylierten Intermediaten des Calvin-Cyclus im Chloroplastenstroma durch den Phosphat-Translokator (Abschn. 9.1)
annähernd konstant gehalten wird, führt ein Abfall des Phosphats zu einem Anstieg der 3-PGA. Der PGNP-Quotient ist daher ein sehr empfindlicher Indikator für den Metabolitenstatus im Chloroplastenstroma. Wenn durch eine verminderte Saccharosesynthese Phosphat nicht schnell genug wieder freigesetzt wird und durch
Phosphatmangel die Photosynthese limitiert wird, bewirkt der erhöhte PGA/P-Quotient einen Anstieg der Stärkebildung, damit so vermehrt Phosphat freigesetzt wird, um die Photosynthese in Gang zu halten. In dieser Hinsicht übernimmt die Stärke eine Pufferfunktion: Die nicht für die Synthese von Saccharose oder anderer Substanzen abgenommenen Assimilate werden in Form von transitorischer Stärke in den Chloroplasten zwischengelagert.
Zu Beginn der Dunkelheit wird auf bislang nicht geklärte Weise die vorhandene Menge an transitorischer Stärke gemessen. Die circadiane Uhr beeinflusst, wie schnell die Stärke abgebaut wird, so dass die Vorräte bis zur nächsten Morgendämmerung ausreichen. Wahrscheinlich wird der Abbau durch einen Anstieg der Phosphatkonzentration im Stroma stimuliert, der Mechanismus hierfür ist jedoch noch unklar. Ein Anstieg der stromalen Phosphatkonzentration ist ein Zeichen für Substratmangel. Der hydrolytische Abbau der Stärke führt zur Freisetzung von Maltose und Glucose, die durch spezifische
Translokatoren Abbildung 9.12 in das Cytosol transportiert werden. Die Maltose, oft Hauptprodukt des Stärkeabbaus, wird im Cytosol über eine Transglucosidase abgebaut. Diese überträgt ein Glucose-Molekül der Maltose auf ein im Cytosol befindliches α-Glucan, unter Freisetzung des anderen Glucose-Moleküls. Das cytosolische α-Glucan wird dann durch eine cytosolische Phosphorylase abgebaut. Die Glucose wird im Cytosol über eine Hexokinase durch ATP in Glucose-6-phosphat überführt. Das beim phosphorolytischen
Abbau in Chloroplasten entstehende Glucose-1-phosphat wird in Umkehr des Stärkesyntheseweges zu Fructose-6-phosphat umgesetzt, und letzteres reagiert mittels einer Fructose-6-phosphat-Kinase zu Fructose-1 ,6-bisphosphat. Das durch die Aldolase gebildete Triosephosphat wird durch den Triosephosphat-Phosphat-Translokator exportiert. Ein Teil des Triosephosphats wird zu 3-Phosphoglycerat oxidiert und in dieser Form ebenfalls über den Triose-P-p-Translokator abtransportiert. Dadruch sind sowohl der
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Triosephosphat-Phosphat-Translokator als auch der Glucose-Translokator für den Abbau der transitorischen Stärke in den Chloroplasten von Bedeutung.
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9.2 Die Saccharose wird im Cytosol synthetisiert
Die Synthese von Saccharose, einem Disaccharid aus Glucose und Fructose (Abb. 9.13), findet im Cytosol der Mesophyllzellen statt. Für diese Synthese wird der Glucoserest in analoger Weise wie bei der Stärkesynthese als Nukleosiddiphosphatglucose aktiviert, jedoch im Cytosol über eine UDP-Glucose-Pyrophosphorylase:
Das bei der Reaktion frei werdende Pyrophosphat wird durch die H+-Pyrophosphatase in der Vakuolenmembran rasch abgebaut. Die im Pyrophosphat enthaltene Energie wird somit zur Ansäuerung der Vakuole verwendet. Die Entfernung des Pyrophosphats verschiebt das Gleichgewicht der UDP-Glucose-Pyrophosphorylase-Reaktion stark in Richtung der Synthese von UDP-Glucose. Die Saccharosephosphat-Synthase (abgekürzt SPS, Abb. 9.13) katalysiert die Übertragung des Glucoserestes aus UDP-Glucose auf
Fructose-6-phosphat, es entsteht Saccharose-6-phosphat. Durch die Saccharosephosphat-Phosphatase, die zusammen mit der SPS als Enzymkomplex vorliegt, wird Saccharose-6-phosphat hydrolysiert und durch diesen irreversiblen Schritt dem Gleichgewicht der Saccharosephosphat-Synthasereaktion entzogen. Die Bildung der Saccharose ist dadurch ein irreversibler Prozess.
Neben der Saccharosephosphat-Synthase gibt es in Pflanzen auch eine Saccharose-Synthase:
Diese Reaktion ist reversibel und wird aber im Stoffwechsel nicht zur Saccharosesynthese eingesetzt, sondern zur Verwertung von Saccharose, wobei aus UDP und Saccharose UDP-Glucose und Fructose gebildet werden. Daher findet man dieses Enzym vornehmlich in nicht-photosynthetischen Geweben. Wir werden die Funktion dieses Enzyms bei der Stärkesynthese in den Amyloplasten von Speichergeweben (Abschn. 13.3)
oder bei der Cellulosesynthese in Baumwolle-produzierenden Zellen (Abschn. 9.6)
kennen lernen. Dort ist das sonst lösliche Enzym membrangebunden.
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9.3 Die Verwertung des bei der Photosynthesegebildeten Triosephosphats muss strikt reguliert werden
Wie bereits in Abbildung 6.11 gezeigt, sind 5/6 des bei der Photosynthese im Calvin-Cyclus gebildeten Triosephosphats für die Regenerierung des CO2-Akzeptors Ribulosebisphosphat erforderlich. Demnach bliebe höchstens 1/6 des gebildeten Triosephosphats für den Export aus den Chloroplasten. Wegen der Photorespiration (Kapitel 7) beträgt der Anteil des verfügbaren Triosephosphats tatsächlich nur etwa 1/8 des in den Chloroplasten gebildeten Triosephosphats. Würde die Entnahme des Triosephosphats aus dem Calvin-Cyclus diesen verfügbaren Betrag überschreiten, könn-
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te der CO2-Akzeptor Ribulosebisphosphat nicht mehr regeneriert werden, und der Cyclus würde zusammenbrechen. Daher ist es für die Funktion des Calvin-Cyclus entscheidend, dass die Entnahme der Triosephosphate das erlaubte Maß nicht überschreitet. Andererseits kann die Photosynthese in den Chloroplasten nur dann ablaufen, wenn ihr Produkt Triosephosphat auch abgenommen wird und daraus das Phosphat wieder freigesetzt wird. Bei Phosphatmangel würde die Photosynthese gedrosselt werden oder sogar zum Erliegen kommen. Es ist daher wichtig für die Pflanze, dass bei einer Erhöhung
der Photosynthese - beispielsweise durch intensive Sonneneinstrahlung - die vermehrt gebildeten Assimilationsprodukte auch entsprechend verwertet werden können.
Die Verwertung des bei der Photosynthese gebildeten Triosephosphats sollte demnach so geregelt sein, dass nicht mehr entnommen wird als erlaubt, aber so viel wie möglich.
Fructose-1,6-bisphosphatase funktioniert als Eingangsventil für die Synthesekette der Saccharose
In den Mesophyllzellen ist normalerweise die Saccharosesynthese der Hauptabnehmer für das bei der COCO2 Fixierung gebildete Triosephosphat. Die Entnahme des Triosephosphats aus den Chloroplasten für die Saccharosesynthese wird nicht auf der Stufe des Exports in das Cytosol reguliert. Die Gesamtreaktion der Saccharosesynthese ist in Abbildung 9.14 gezeigt. Sie ist durch die Hydrolyse des Fructose-1 ,6-bisphosphats und des Saccharosephosphats ein irreversibler Prozess, der außerdem wegen der vorhandenen hohen Enzymaktivitäten eine sehr hohe Kapazität aufweist. Damit nicht mehr Triosephosphat als erlaubt aus dem Calvin-Cyclus entnommen wird, muss die Saccharosesynthese streng reguliert sein.
Der erste, irreversible Schritt der Saccharosesynthese wird durch die cytosolische Fructose-1,6-bisphosphatase katalysiert. Diese Reaktion ist ein wichtiger Kontrollpunkt; sie stellt gewissermaßen das Eingangsventil für die Entnahme von Triosephosphat zur Saccharosesynthese dar. Abbildung 9.15
zeigt, wie dieses Ventil funktioniert. Eine wichtige Rolle spielt dabei Fructose-2,6-bisphosphat (Fru2,6BP), eine Regulatorsubstanz, die sich nur in der Stellung einer Phosphatgruppe von dem Metaboliten Fructose-1,6-bisphosphat unterscheidet (Abb. 9.16).
Fru2,6BP wurde als potenter Aktivator der ATP-abhängigen Fructose-6-phosphat-Kinase und als Inhibitor der Fructose-1,6-bispbosphatase in der Leber entdeckt. Es stellte sich dann heraus, dass Fru2,6BP ubiquitär (Allgegenwärtig) ist und für die Kontrolle von Glycolyse und Gluconeogenese in Tieren, Pilzen und Pflanzen generell von Bedeutung ist.
Fru2,6BP ist ein sehr starker Regulator der cytosolischen Fructose-1,6-bisphosphatase in Mesophyllzellen. Bereits mikromolare Konzentrationen von Fru2,6BP, wie sie tatsächlich auch im Cytosol von Mesophyllzellen vorkommen, führen zu einer sehr stark verringerten Affinität des Enzyms zu seinem Substrat Fructose-1,6-bisphosphat. Andererseits aktiviert Fru2,6BP eine im
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Cytosol der Pflanzenzellen vorhandene Pyrophosphat-abhängige Fructose-6-phosphat-Kinase. Ohne Fru2,6BP ist dieses Enzym inaktiv. Die PP-Fructose-6-phosphat-K.inase kann das bei der UDP-Glucose-Pyrophosphorylasereaktion entstandene Pyrophosphat verwerten.
Fru2,6BP wird durch eine spezielle Kinase, die Fructose-6-phosphat-2-Kinase, aus Fructose-6-phosphat gebildet und durch eine spezielle Phosphatase (Fructose-2,6-bisphosphatase) wieder zu der Ausgangssubstanz hydrolysiert. Die Konzentration der Regulatorsubstanz wird durch eine Regulation der Geschwindigkeit von Synthese und Abbau eingestellt. Triosephosphat und 3-Phosphoglycerat hemmen die Synthese von Fru2,6BP, während Fructose-6-phosphat und Phosphat die Synthese stimulieren und die Hydrolyse drosseln. Auf diese Weise führt ein Anstieg der Triosephosphatkonzentration
zu einer Erniedrigung des Fru2,6BP-Spiegels und damit zu einer gesteigerten
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Affinität der cytosolischen Fructose-1,6-bisphosphatase für ihr Substrat Fructose-1,6-bisphosphat. Zugleich erhöht sich bei einem Anstieg der Triosephosphatkonzentration
die Konzentration des über die Aldolasereaktion im Gleichgewicht stehenden Fructose-1,6-bisphosphats. Aus der Erhöhung der Substratkonzentration bei gleichzeitiger Erhöhung der Affinität lässt sich ableiten, dass die Rate der Saccharosesynthese erst bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes ansteigt (Abb. 9.17)
. Hierdurch wird eine effiziente Anpassung der Saccharosesynthese an das Triosephosphatangebot erreicht.
Das Prinzip der Regulation lässt sich mit einem Überfließventil vergleichen. Eine bestimmte Schwellenkonzentration des Triosephosphats muss überschritten werden, damit ein nennenswerter Substratfluss durch die Fructose-1,6-bisphosphatase erfolgt. Dadurch wird gewährleistet, dass ein für den Ablauf des Calvin-Cyclus erforderlicher minimaler Triosephosphatspiegel nicht unterschritten wird. Bei einem Überschreiten der Schwelle führt ein weiterer Anstieg des Triosephosphats zu einer hohen Verstärkung der Enzymak-
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tivität, wodurch der in den Chloroplasten anfallende Überschuss an Triosephosphat in sehr effizienter Weise der Saccharosesynthese zugeleitet werden kann.
Die cytosolische Fructose-1,6-bisphosphatase passt sich in ihrer Aktivität nicht nur, wie hier gezeigt, dem Substratangebot an, sondern auch der Produktnachfrage. Bei einem Anstieg von Fructose-6-phosphat, dem Produkt der Reaktion, wird über eine Stimulierung der Fructose-6-phosphat-2-Kinase und eine Hemmung der Fructose-2,6-bisphosphatase der Spiegel der Regulatorsubstanz Fru2,6BP erhöht und dadurch die Aktivität der cytosolischen Fructose-1,6-bisphosphatase gedrosselt Abb. 9.15.
Die Saccharosephosphat-Synthase wird sowohl durch Metabolite als auch durch kovalente Modifikation reguliert
Auch die Saccharosephosphat-Synthase (vgl. Abb. 9.14) unterliegt einer strikten metabolischen Kontrolle. Dieses Enzym wird durch Glucose-6-phosphat aktiviert und durch Phosphat gehemmt. Der Aktivator Glucose-6-phosphat steht mit Fructose-6-phosphat, dem Substrat der Reaktion, im Gleichgewicht, wobei Glucose-6-phosphat überwiegt. Im Gleichgewicht bewirkt daher eine Konzentrationsänderung des Substrats eine viel größere Änderung der Aktivatorkonzentration. Die Aktivität des Enzyms wird so in wirksamer Weise dem Substratangebot angepasst.
Die Aktivität der Saccharosephosphat-Synthase wird außerdem durch kovalente Modifikation des Enzyms verändert. Das Enzym besitzt in Pos. 158 einen Serinrest, dessen OH-Gruppe durch eine spezielle Protein-Kinase, die Saccharosephosphat-Synthase-Kinase (SPS-Kinase), phosphoryliert und durch eine entsprechende SPS-Phosphatase dephosphoryliert wird
(Abb. 9.18A). Die SPS-Phosphatase wird durch Ocadainsäure, einen Inhibitor von Protein-Phosphatasen des so genannten 2A-Typs (auf den wir hier nicht näher eingehen können), gehemmt. Die Aktivität der SPS-Kinase wird wahrscheinlich durch Metabolite wie Glucose-6-phosphat reguliert.
Die so phosphorylierte Form der Saccharosephosphat-Synthase ist weniger aktiv als die dephosphorylierte Form. Durch die relativen Geschwindig-
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keiten von Phosphorylierung und Dephosphorylierung stellt sich eine bestimmte Aktivität des Enzyms ein. Bei Belichtung eines Blattes wird die SPS-Phosphatase in ihrer Aktivität erhöht und dadurch die Saccharosephosphat-Synthase in die aktivere Form umgewandelt. Der Mechanismus hierfür ist nicht bekannt. Es wird diskutiert, dass die Verminderung der SPS-Phosphataseaktivität im Dunkeln auf einer verminderten Syntheserate des Enzyms beruht. Die Saccharosephosphat-Synthase enthält in Pos. 424 einen weiteren Serinrest, der durch eine andere Proteinkinase - diese wird bei osmotischem
Stress aktiviert - phosphoryliert wird. Bei der Phosphorylierung dieses Serinrestes wird die Saccharosephosphat-Synthase aktiviert. Man erkennt hieraus die Komplexität der Regulation der SPS. Die Phosphorylierung eines bestimmten Serinrestes durch eine entsprechende Proteinkinase führt zu einer Hemmung, während die Phosphorylierung eines anderen Serinrestes durch eine andere Proteinkinase zu einer Aktivierung führt. Die SPS besitzt sogar noch eine dritte Phosphorylierungsstelle, an die ein 14-3-3 Protein gebunden wird (ähnlich wie bei der Nitratreduktase, Abschn. 10.3). Die physiologische
Bedeutung dieser Bindung ist derzeit noch ungeklärt.
Die Verteilung der Assimilate zwischen Saccharose und Stärke beruht auf dem Zusammenspiel mehrerer Regulationsmechanismen
Wir haben gesehen, dass an der Steuerung der Saccharosesynthese verschiedene Regulationsvorgänge beteiligt sind. Durch die Wirkung von Metaboliten, als Hemmer oder Aktivatoren von Enzymen, kann die Geschwindigkeit
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der Saccharosesynthese unmittelbar den aktuellen Stoffwechselbedingungen angepasst werden. Man spricht hier auch von einer Feinkontrolle. Durch die kovalente Modifikation von Enzymen, ausgelöst durch diurnale (tagaktiv) Faktoren und wahrscheinlich auch durch Phytohormone (Kapitel 19), erfolgt eine übergeordnete Regulation gemäß den Stoffwechselbedürfnissen der Pflanze. Dazu gehört die Verteilung der Assimilate (engl. partitioning) zwischen Saccharose-, Stärke- und Aminosäuresynthese (siehe Kapitel 10). So kann durch eine Drosselung der Saccharosesynthese über einen Anstau von Triosephosphat, und damit auch von 3-Phosphoglycerat, die Synthese der Stärke erhöht werden Abb. 9.12. Wie bereits besprochen, wird in den Blättern während des Tages ein großer Teil des Photoassimilats in den Chloroplasten als transitorische Stärke zwischengelagert und erst in der folgenden Nacht zu Saccharose umgesetzt, um die Verbrauchsorgane auch während der Nacht mit Saccharose versorgen zu können. In manchen Pflanzen - beispielsweise in Gerste - werden tagsüber in den Blättern große Mengen des Assimilats als Saccharose zwischengelagert. Daher läuft in Blättern verschiedener Pflanzen die Synthese der Saccharose während der Nacht mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit ab.
Trehalose ist eine wichtige Signalsubstanz
Trehalose (Abb. 9.18B), welches in nur sehr geringen Konzentrationen in Pflanzenzellen vorkommt, wurde lange Zeit für unbedeutend gehalten. In jüngster Zeit gibt es jedoch viele experimentelle Befunde, die zeigen, dass Trehalose bzw. Trehalosephosphat sehr wichtige Signalmetabolite für die Regulation
des Pflanzenstoffwechsels sind. Ausgangssubstrate für die Synthese sind Glucose-6-phosphat und UDP-Glucose:
Die Bedeutung der Trehalose lässt sich allein schon dadurch erkennen, dass es in Arabidopsis mehr Gene für dessen Synthese gibt als für die Synthese von Saccharose.
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9.4 In manchen Pflanzen erfolgt der Export der Assimilate aus den Blättern in Form von Zuckeralkoholen oder von Oligosacchariden der Raffinosefamilie
Saccharose ist nicht in allen Pflanzen die Transportform für die Translokation der Assimilate in die Verbrauchsorgane. In manchen Pflanzen dienen dazu auch Zuckeralkohole (als Polyole bezeichnet), zu deren wichtige Vertreter Sorbit und Mannit (Abb. 9.19) gehören. So erfolgt unter anderem in Rosaceaen (dazu gehören unsere heimischen Obstbäume) der Assimilattransport in die Verbrauchsorgane zu einem großen Teil in Form von Sorbit (Abb. 9.19). Andere Pflanzen - wie Kürbisgewächse, heimische Laubbäume (Linde, Haselnuss, Ulme) und Olivenbäume - befördern in ihren Siebröhren Oligosaccharide, bei denen Saccharose mit einem oder mehreren Galactoseresten glycosidisch verknüpft ist (Abb. 9.20). Zu diesen Oligosacchariden der so genannten Raffinosefamilie zählen Raffinose mit einem, Stachyose mit zwei und Verbascose mit drei Galactoseresten. Die Oligosaccharide der Raffinosefamilie haben dazu auch eine Funktion als Speicherverbindungen. Sie machen beispielsweise in den Samen von Erbsen und Bohnen 5 bis 15 % der Trockensubstanz aus. Da die α-Galactosidbindung von den menschlichen Verdauungsenzymen nicht gespalten werden kann, sind Zucker der Raffinosefamilie für den Menschen unverdaulich. Sie werden im letzten Abschnitt des Darms durch anaerobe Bakterien unter der Bildung von Verdauungsgasen zersetzt.
Die für die Raffinosesynthese erforderliche Galactose entsteht durch Epimerisierung der durch UDP aktivierten Glucose (Abb. 9.21). Durch die UDP-Glucose-Epimerase wird die in Position 4 vorhandene OH-Gruppe vorübergehend oxidiert. Als Oxidationsmittel dient dabei fest an das Enzym gebundenes NAD+. Bei der sich anschließenden Reduktion entstehen dann sowohl Glucose als auch Galactose. Es stellt sich so ein Epimerasegleichgewicht ein. Durch eine Transferase wird der Galactoserest auf den cyclischen
Alkohol myo-Inositol übertragen, dabei entsteht Galactinol. Durch myo-
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Inositol-Galactosyl-Transferasen werden durch eine Übertragung des Galactoserestes von Galactinol auf Saccharose Raffinose gebildet und in entsprechender Weise ebenfalls Stachyose und Verbascose.
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9.5 Fructane werden als Speichersubstanz in der Vakuole gelagert
Neben der Stärke haben in vielen Pflanzen auch Fructane eine wichtige Bedeutung als Kohlenhydratspeicher. Während die Stärke als unlösliche Polyglucose in den Plastiden gebildet wird, sind Fructane lösliche Polyfructosen,
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die in der Vakuole synthetisiert und gelagert werden. Man hat sie zuerst in Knollen von Zierblumen, zum Beispiel Dahlien, gefunden. Zu den Fructanspeichernden Pflanzen gehören viele Gräser aus gemäßigten Klimaten, darunter auch Weizen und Gerste. Die Fructane finden sich dort oft in den Blättern und den Stängeln. Die Kohlenhydrate in der Zwiebel bestehen hauptsächlich aus Fructanen. Sie werden, wie die bereits besprochenen Raffinosezucker,vom Menschen nicht verdaut. Fructane wurden daher wegen ihres süßen Geschmacks insbesondere in Japan als natürliche, kalorienfreie Süßstoffe benutzt.
Ausgangssubstanz für die Polysaccharidketten der Fructane ist ein Saccharosemolekül, an das weitere Fructosemoleküle geknüpft sind. Die Grundform der Fructane, bei der Saccharose mit nur einem weiteren Fructosemolekül gly-
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cosidisch zu einem Trisaccharid verbunden ist, bezeichnet man als Kestosen. Abbildung 9.22
zeigt drei Haupttypen der Fructane. Bei den Fructanen des 6-Kestosetyps ist der Fructoserest der Saccharose in Position 6 mit einer weiteren Fructose in 2ß-Position glycosidisch verknüpft. Durch (6→2β)-Verknüpfungen mit weiteren Fructoseresten werden Ketten mit unterschiedlicher Länge (10 bis 200 Fructoseresten) gebildet. Man bezeichnet Fructane aus 6-Kestosen auch als Lävantyp. Man findet diese Fructane häufig in Gräsern.
Bei den Fructanen des 1-Kestosetyps sind die Fructosereste der Kette mit dem Saccharosemolekül und untereinander in (1→2β)-glycosidischer Bindung verknüpft. Diese Fructane - die man auch als Inulintyp bezeichnet - bestehen aus bis zu 50 Fructoseresten. Inulin findet man in den Knollen der Dahlien.
Bei den Fructanen des Neokestosetyps gehen zwei Polyfructoseketten von der Saccharose aus, eine ist wie bei der 1-Kestose (1→2β)-glycosidisch mit der Fructose verknüpft, die andere (6→2β)-glycosidisch mit dem Glucoserest. Die Fructane des Neokestosetyps sind mit fünf bis zehn Fructoseresten die kleins-
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ten Fructane. Verzweigte Fructane, die sowohl (1→2β)- als auch (6→2β)-glycosidisch verknüpft sind, werden auch als Graminane bezeichnet. Man findet sie in Weizen und Gerste.
Ausgangssubstanz für die in der Vakuole erfolgende Synthese der Fructane ist Saccharose. Durch das Enzym Saccharose-Saccharose-Fructosyltransferase wird der Fructoserest von einer Saccharose auf eine zweite Saccharose übertragen (Abb. 9.23A). Dabei wird eine 1-Kestose gebildet, übrig bleibt Glucose. Für eine Verlängerung der Kestosekette wird der erforderliche Fructoserest nicht von der Saccharose, sondern von einer anderen Kestose übertragen (Abb. 9.23B). Das Enzym Fructan-Fructan-1-Fructosyltransferase überträgt bevorzugt den Fructoserest von einem Trisaccharid auf eine längerkettige Kestose. Die Bildung der 6-Kestosen wird entsprechend durch eine Fructan-Fructan-6-Fructosyltransferase katalysiert. Zur Bildung der Neokestosen wird durch 6-Glucose-Fructosyltransferase ein Fructoserest von einer 1- Kestose auf den Glucoseteil einer Saccharose übertragen (Abb. 9.23C). Das so gebildete Trisaccharid ist Ausgangsprodukt für weitere Kettenverlängerungen entsprechend (Abbildung 9.23B). Der Abbau der Fructane erfolgt durch eine sukzessive Abspaltung der Fructosereste vom Ende her durch exohydrolytische Enzyme.
In vielen Gräsern werden Fructane für eine bestimmte Zeitdauer in den Blättern und im Stängel angereichert. Sie können dabei bis zu 30% des Trockengewichtes ausmachen. So werden in manchen Pflanzen vor Blühbeginn Kohlenhydrate als Fructane angesammelt, um nach Befruchtung der Blüten als Reserve für eine schnelle Samenbildung zu dienen. Pflanzen in marginalen Lebensräumen, bei denen sich Perioden der positiven CO2-Bilanz mit Zeiten abwechseln, in denen keine ausreichende Photosynthese möglich ist,
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nutzen Fructane als Reserve für ein Aufrechterhalten des Wachstums auch bei ungünstigen Bedingungen. So werden Fructane auch vermehrt bei Trocken und Kältestress gebildet. Neben der Rolle der Fructane als Kohlenhydratspeicher wurden in den letzten Jahren weitere Funktionen für diese Polymere in Pflanzen gefunden, insbesondere die Stabilisierung von Membranen unter Frost- und Trockenstress sowie ein erhöhter Schutz vor reaktiven Sauerstoff-Spezies.
Viele Pflanzen, die in ihren Blättern Fructane speichern, lagern dort für gewöhnlich auch Saccharose und Stärke. Fructan ist dann ein zusätzlicher Speicher. Abbildung 9.24 zeigt in einer stark vereinfachten Darstellung die Bildung des Fructans als alternative Speichersubstanz in einem Blatt. Um einen durch die Photosynthese als Fructose-6-phosphat bereitgestellten Fructoserest in Fructan umzuwandeln, muss zunächst Saccharose (Details gezeigt in (Abb. 9.14) synthetisiert werden. Die dabei erforderliche UDP-Glucose wird aus der bei der Fructansynthese in der Vakuole freigesetzten Glucose nach Phosphorylierung durch eine Hexokinase durch UDP-Glucose-Pyrophosphorylase bereitgestellt. Somit erfordert die Reaktion des bei der Photo-
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synthese gebildeten Fructose-6-phosphats zu Fructan insgesamt 2 ATP-Äquivalente pro Molekül, das ist doppelt so viel wie für die Synthese der Stärke in den Plastiden. Ein Grund für diesen Mehraufwand liegt darin, dass die in Plastiden vorkommende Pyrophosphatase, welche die ADP-Glucose-Pyrophosphorylasereaktion irreversibel macht (Abschn. 9.1), im Cytosol nicht vorhanden ist.
Die Speicherung von Kohlenhydraten im Blatt als Fructan in der Vakuole hat den Vorteil, dass durch die Größe der Vakuole (sie nimmt etwa 80% des Zellvolumens ein) eine sehr hohe Speicherkapazität besteht. In einem Blatt können so, zusätzlich zu den erforderlichen diurnalen Kohlenhydratspeichern in Form von transitorischer Stärke und Saccharose, eine größere Kohlenhydratreserve angelegt werden, zum Beispiel für eine schnelle Samenproduktion oder als Notvorrat.
9.6 Cellulose wird durch Enzyme der Plasmamembran synthetisiert
Wir haben in Abschnitt 1.1 als wichtigen Zellwandbestandteil Cellulose kennengelernt, ein Glucan, bei dem Glucosereste ß-1,4-glycosidisch zu einer sehr langen Kette verknüpft sind. Die Cellulosesynthese erfolgt durch die in der Plasmamembran lokalisierte Cellulose-Synthase, wobei die Glucosebausteine als UDP-Glucose vom Zellinnern her angeliefert werden und die wachsende Cellulosekette in den extrazellulären Raum ausgestoßen wird (Abb. 9.25B). Die Cellulosesynthese konnte besonders gut an Baumwolle untersucht werden. Hierbei zeigte sich, dass auch die UDP-Glucose in der Membran bereitgestellt wird: Durch eine membrangebundene Saccharose-Synthase (Abschn. 9.2) wird aus Saccharose, die vom Cytosol geliefert wird, UDP-Glucose gebildet und letztere direkt auf die Cellulose-Synthase übertragen. Alternativ wird UDP-Glucose durch die UDP-Glucose-Pyrophosphorylase (Abschn. 9.2) aus Glucose-1-phosphat und UTP gebildet. Die Cellulosesynthese beginnt mit der Übertragung eines Glucoserestes von UDP-Glucose auf Sitosterol (Abb. 15.3), einem Lipid der Plasmamembran. Der durch die glycosidische Verknüpfung an die Hydroxylgruppe des Membranlipids gebundene Glucoserest wirkt als Primer für die Cellulosesynthese und bewirkt, dass die wachsende Cellulosekette an der Membran verankert ist. Cellulose kommt nie in einzelnen Ketten, sondern stets in einer als Mikrofibrille bezeichneten kristallinen Anordnung vieler Ketten vor Abschnitt 1.1. Man nimmt an, dass durch viele in der Membran benachbarte Cellulose-Synthasen alle ß-1,4-Glucanketten einer Mikrofibrille gleichzeitig gebildet werden und sich sofort zusammenlagern.
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Die Synthese von Callose wird oft durch Gewebsverletzungen ausgelöst
Callose ist ein ß-1,3-Glucan (Abb. 9.25A) mit einer langen unverzweigten, schraubig gewundenen Kette. Callose bildet ohne weitere Bestandteile sehr kompakte Strukturen und dient der Pflanze als universelles Abdichtungsmaterial. Callose kann an der Plasmamembran nach Gewebsverletzung rasch in beträchtlichen Mengen synthetisiert werden. Diese Callosesynthese erfolgt nach bisherigen Untersuchungen in prinzipiell gleicher Weise wie die in Abbildung 9.25B gezeigte Cellulosesynthese, ebenfalls unter Bereitstellung von UDP-Glucose durch Saccharose-Synthase. Die Callosesynthese wird durch einen Anstieg der Ca2+-Konzentration im Cytosol stimuliert. Eine Zellverletzung, die durch Ca2+2+-Einstrom einen Anstieg der cytosolischen Ca2+2+-Konzentration bewirkt, löst so die Synthese von Callose als Abdichtungsmaterial aus. Durch Callosebildung werden auch die Plasmodesmen defekter Zellen
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verschlossen, um eine Gefährdung anderer Zellen des Symplasten (Abschn.1.1) zu verhindern. Callose dient auch als Kitt, um defekte Siebröhren zu verschließen (Abschn. 13.2).
Zellwand-Polysaccharide werden auch im Golgi-Apparat synthetisiert
Im Gegensatz zu den Synthesen von Cellulose und Callose, die an der Plasmamembran stattfinden, erfolgt die Synthese der Zellwand-Polysaccharide Hemicellulose und Pektin im Golgi-Apparat. Die Glucosyltransferasen im Golgi-Apparat benötigen Zucker, die mit UDP aktiviert wurden, wie schon am Beispiel der UDP-Glucose gezeigt. Manche Hexosen werden als GDP-Derivate aktiviert, z. B. GDP-Mannose und GDP-Fucose. Der Transfer der im Golgi-Apparat gebildeten Polysaccharidketten zur Zellwand erfolgt über einen exocytotischen Vesikeltransport.
Im Holz befindet sich neben Lignin und Cellulose auch ca. 30% Hemicellulose, in denen die Xylane zumeist stark dominieren. Xylane bestehen aus langen Ketten der Pentose Xylose, die durch Acetylierungen modifiziert werden. Ausgehend von der UDP-Glucose, die aus der Photosynthese stammt, wird diese zunächst am C6-Atom 2-fach oxidiert, so dass UDP-Glucuronsäure entsteht (Abb. 9.26). Durch Epimerisierung entsteht UDP-Galacturonsäure ist ein Hauptbestandteil der Pektine. Durch Abspaltung von CO2
von UDP-Glucuronsäure wird die Pentose UDP-Xylose gebildet, sie ist Baustein für die Xylane im Holz.
Bei der Papierherstellung fallen neben dem Lignin, das zumeist thermisch verwertet wird, auch große Mengen an Xylanen an. Mit gentechnisch modifizierten Hefen ist es inzwischen gelungen, auch aus Pentosen Bioethanol herzustellen. Normalerweise können Hefen Ethanol nur aus Hexosen vergären.
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10 Die Assimilation von Nitrat wird zur Synthese von organischem Material benötigt
Lebende Materie enthält einen hohen Anteil an Stickstoff, der in Proteine, Nukleinsäuren und viele andere Biomoleküle eingebaut ist. Dieser "organische" Stickstoff liegt in der Oxidationsstufe -III (wie in NH3) vor. Beim N-autotrophen Wachstum wird der Stickstoffbedarf für die Bildung der Zellmaterie aus anorganischem Stickstoff gedeckt. Hierfür gibt es drei verschiedene Möglichkeiten:
1. Fixierung des molekularen Stickstoffs aus der Luft.
2. Assimilation von Nitrat oder Ammonium, das im Wasser oder im Boden enthalten ist.
3. Aufnahme von Aminosäuren aus dem Boden durch arbuskuläre Mykorrhiza.
Der Stickstoff aus der Luft kann nur von einer beschränkten Anzahl von Bakterien, darunter auch einige Cyanobakterien, fixiert werden. Wie wir in Kapitel 11 ausführlich diskutieren werden, nutzen einige Pflanzen diese Fähigkeit, indem sie eine Symbiose mit N2-fixierenden Bakterien eingehen, um von ihnen mit organisch gebundenem Stickstoff versorgt zu werden. Etwa 99 % des organischen Stickstoffs in der Biosphäre stammt jedoch aus der Nitratassimilation. Beim Abbau der organischen Materie, vor allem durch den Stoffwechsel der Tiere und Bakterien, entsteht letztlich NH4+, das durch so genannte nitrifizierende Bakterien im Boden wieder zu Nitrat oxidiert wird. Es besteht so ein .steter Kreislauf zwischen dem Nitrat im Boden und dem organischen Stickstoff der auf diesem Boden wachsenden Pflanzen. Nur in schlecht belüfteten Böden mit ungenügender Entwässerung, in denen nitrifizierende Bakterien wegen Sauerstoffmangel nicht wachsen können, oder auch in versauerten Böden, reichert sich NH4+ an. Insbesondere durch Massentierhaltung kann ein starker NH3 Eintrag in die Böden sowohl durch die Gülle als auch durch die Luft verursacht werden. Falls verfügbar, können viele Pflanzen auch NH4+ statt Nitrat als Stickstoffquelle nutzen.
10.1 Die Reduktion des Nitrat zu NH3 erfolgt in zwei Teilreaktionen
Die Nitratassimilation findet sowohl in den Wurzeln als auch in den Blättern statt. Bei den meisten ausgewachsenen krautigen Pflanzen tragen die Blätter den Hauptanteil der Nitratassimilation. Hingegen ist bei vielen Holzpflanzen (Bäumen, Sträuchern) die Nitratassimilation auf die Wurzeln konzentriert,
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dies gilt aber auch für Leguminosen wie die Sojabohne. Bei den meisten Pflanzen ist in einem frühen Wachstumsstadium die Nitratassimilation in den Wurzeln besonders ausgeprägt. Bei schnellwachsenden Baumarten erfolgt Nitratassimilation auch in den Blättern.
Der Transport von Nitrat in die Wurzelzellen erfolgt als Symport mit 2 Protonen (Abb.10.1). Ein Protonengradient über der Plasmamembran, erzeugt durch eine H+-P-ATPase (Abschn. 8.2), treibt die Aufnahme von Nitrat sogar gegen einen hohen Konzentrationsgradienten. Das für die Bildung des Protonengradienten erforderliche ATP wird zumeist durch mitochondriale Atmung geliefert. Bei der Ausschaltung der mitochondrialen ATP-Synthese in den Wurzeln durch Hemmer oder Entkoppler der Atmung kommt daher in der Regel die Nitrataufnahme zum Erliegen. Nach neueren Ergebnissen enthalten Wurzelzellen mehrere Nitrattransporter, solche mit relativ niedriger Affinität (Halbsättigung > 500 μM Nitrat), die meist konstitutiv (d.h. immer vorhanden) sind und solche mit sehr hoher Affinität (Halbsättigung 20-100 μM Nitrat) die zum Teil erst bei Bedarf induziert werden. Die Effizienz dieser Aufnahmesysteme ermöglicht bereits ein Pflanzenwachstum bei einer Nitratkonzentration von nur 10 μM im Außenraum.
Das in die Zellen der Wurzel aufgenommene Nitrat kann dort in der Vakuole zwischengespeichert werden. Wie in Abschnitt 10.2
ausführlich besprochen, wird Nitrat in den Epidermis- und Cortexzellen der Wurzel unter Beteiligung der Leukoplasten zu NH4+ reduziert; letzteres wird vor allem zur Synthese von Glutamin und Asparagin (die in Abb. 10.1 als Amide bezeichnet werden) verwendet. Diese beiden Aminosäuren können durch die Xylemgefäße zu den Blättern transportiert werden. Wenn die Kapazität der Nitratassimilation in den Wurzeln erschöpft ist, wird das Nitrat aus der Wurzel in die Xylemgefäße entlassen und gelanngt durch diese in die Blätter. Die Aufnahme des Nitrats in die Mesophyllzellen erfolgt wahrscheinlich ebenfalls über einen Protonensymport. Durch Aufnahme in die Vakuole können große Mengen von Nitrat im Blatt gespeichert werden. Mitunter wird dieser Speicher nachts auf gefüllt, um dann tagsüber für die Nitratassimilation genutzt zu werden. So findet man in Spinatblättern den höchsten Nitratgehalt am frühen Morgen.
In den Mesophyllzellen wird das Nitrat durch die im Cytosol vorhandene Nitrat-Reduktase zunächst zu Nitrit und dann durch die Nitrit-Reduktase der Chloroplasten weiter zu NH4+ reduziert Abb. 10.1.
Nitrat wird im Cytosol zu Nitrit reduziert
Bei der Nitratreduktion von Pflanzen wird meist NADH als Reduktionsmittel verwendet. Manche Pflanzen enthalten Nitrat-Reduktasen, die sowohl mit NADH als auch mit NADPH reagieren. Die Nitrat-Reduktase der höheren Pflanzen besteht aus zwei identischen Untereinheiten. Die Molekülmasse einer Untereinheit beträgt je nach Spezies 99 bis 104 kDa. Jede der Untereinheiten trägt eine Elektronentransportkette (Abb. 10.2), die aus je einem Molekül Flavinadenindinukleotid (FAD), einem Häm des Cytochrom-b-Typs
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(Cyt-b-557) und einem Molybdänatom, das Bestandteil eines Cofaktors ist, besteht (Abb. 10.3).
Dieser Cofaktor ist ein Pterin, das eine Seitenkette enthält, mit der das Molybdän über zwei Schwefelbindungen verknüpft ist. Man nennt das Addukt Molybdän-Cofaktor, abgekürzt MoCo. Gebunden an den Cofaktor wechselt das Molybdänatom wahrscheinlich zwischen den Oxidationsstufen +IV und +VI. Die drei Redoxüberträger der Nitrat-Reduktase sind jeweils kovalent an eine Untereinheit des Enzyms gebunden. Durch eine begrenzte Proteinhydrolyse lässt sich die Proteinkette der Untereinheit in drei Domänen spalten, die jeweils nur einen der drei Redoxüberträger besitzen. Sowohl das ganze Enzym als auch die voneinander abgetrennten Domänen können mit ihren Redoxüberträgern einen Elektronenfluss auf künstliche Elektronenakzeptoren vermitteln (z.B. von NADH auf Fe3+-Ionen durch die FAD-Domäne oder von reduziertem Methylviologen, (s. Abb. 3.39), auf Nitrat durch die Mo-Domäne). Die Nitrat-Reduktase kann auch Chlorat (ClO3-) zu Chlorit (ClO2-) reduzieren. Chlorat kann über einige Nitrat-Transporter in die Wurzeln aufgenommen werden. Es ist ein sehr starkes Oxidationsmittel und somit für die Pflanzenzelle sehr toxisch. Man hat daher früher Chlorat als billiges Totalherbizid benutzt, um Gleiskörper der Bahn vegetationsfrei zu halten.
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Die Reduktion von Nitrit zu Ammonium findet in den Plastiden statt
Die Reduktion von Nitrit zu Ammonium erfordert die Aufnahme von sechs Elektronen. Die gesamte Reaktion wird durch nur ein Enzym katalysiert, die ausschließlich in den Plastiden lokalisierte Nitrit-Reduktase (Abb. 10.4). Als Elektronendonor dient reduziertes Ferredoxin, das als Produkt des photosynthetischen Elektronentransports von Photosystem I bereitgestellt wird (Abb. 3.16). In geringem Umfang kann das für die Nitritreduktion im Blatt erforderliche Ferredoxin jedoch auch im Dunkeln durch NADPH reduziert werden. NADPH kann in den Chloroplasten im Dunkeln und in den Leukoplasten (Abschnitt 1.3) durch den oxidativen Pentosephosphatweg (Abb. 6.22, 10.8) geliefert werden.
Die Nitrit-Reduktase enthält in kovalent gebundener Form ein 4Fe-4S-Zentrum (siehe Abb. 3.26), ein FAD und ein Sirohäm. Sirohäm (Abb. 10.5) ist ein cyclisches Tetrapyrrol mit einem Fe-Atom im Zentrum, das sich in seiner Struktur vom Häm sehr unterscheidet: Es enthält noch die aus der Pyrrolsynthese stammenden Essigsäure- und Propionsäurereste. (siehe Abschn. 10.5)
Das 4Fe-4S-Zentrum, das FAD und das Sirohäm bilden eine Elektronentransportkette, durch die Elektronen vom Ferredoxin auf das Nitrit übertragen werden. Die Affinität des Enzyms zu seinem Substrat Nitrit ist ungewöhnlich hoch. Außerdem ist in den Chloroplasten die Kapazität der Nitritreduktion sehr viel höher als die der cytosolischen Nitratreduktion. Aus diesen Gründen kann das durch die Nitrat-Reduktase gebildete Nitrit vollständig zu NH4+ umgesetzt werden. Dies ist wichtig, da Nitrit für die Zelle toxisch ist. Es bildet mit Aminogruppen von Nukleinbasen (-NH2) Diazoverbindungen, die unter Stickstoffabspaltung in Alkohole übergehen.
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So kann beispielsweise Cytosin zu Uracil umgesetzt werden. Diese Reaktion kann Mutationen auslösen. Durch die sehr effiziente Reduktion des Nitrits in den Chloroplasten wird vermieden, dass sich Nitrit in der Zelle anhäuft.
Die Assimilierung des NH4+ erfolgt in gleicher Weise wie bei der Photorespiration
Durch die in den Chloroplasten vorhandene Glutamin-Synthetase wird das gebildete NH4+ unter Verbrauch von ATP auf Glutamat übertragen, dabei entsteht Glutamin (Abb. 10.6). Die Aktivität der Glutamin-Synthetase und die Affinität des Enzyms zu NH4+ (Km ≈ 5 μmol/L) sind so hoch, dass das anfallende NH4+ quantitativ metabolisch gebunden wird. Durch die gleiche Reaktion wird auch das bei der Photorespiration freigesetzte NH4+ fixiert (siehe Abb. 7.9). Wegen der hohen Rate der Photorespiration ist die Menge an NH4+, die durch die Oxidation des Glycins entsteht, etwa fünf bis zehnmal höher als die Menge des bei der Nitratassimilation gebildeten NH4+. Daher ist für die Glutamin-Synthetase der Blätter die Beteiligung an der Nitratassimilation gewissermaßen nur eine Nebenbeschäftigung, die allerdings allein neuen Stickstoff für die Pflanze verfügbar macht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch ein Isoenzym der Glutamin-Synthetase gibt, das im Cytosol lokalisiert ist.
NH4+-Glufosinat wird unter dem Handelsnamen "Basta" (Bayer) als Herbizid (Abschn. 3.6) vertrieben. Glufosinat hat den
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Durch Glufosinat (Abb. 10.7), einem Substratanalogon von Glutamat, lässt sich die Glutamin-Synthetase hemmen. Pflanzen, bei denen durch Zugabe von Glufosinat die Glutamin-Synthetase gehemmt ist, akkumulieren das Zellgift Ammoniak und sterben ab.
Vorteil, dass es im Boden rasch abgebaut wird und die Umwelt nicht mit toxischen Abbauprodukten belastet. Es ist mit gentechnischen Methoden gelungen, Glufosinat-resistente Kulturpflanzen zu erzeugen, so dass Glufosinat als selektives Herbizid zur Unkrautbekämpfung in wachsenden Kulturen eingesetzt werden kann (siehe Abschn. 22.6).
Das in den Chloroplasten gebildete Glutamin wird über die Glutamat-Synthase (die auch als Glutamin-Oxoglutarat-Aminotransferase, abgekürzt GOGAT, bezeichnet wird) mit α-Ketoglutarat zu zwei Molekülen Glutamat umgesetzt (siehe Abb. 7.9). Dabei dient reduziertes Ferredoxin als Reduktionsmittel. In manchen Chloroplasten und den Leukoplasten gibt es auch eine NADPH-abhängige Glutamat-Synthase. Glutamat-Synthasen können durch das Substratanalogon Azaserin (Abb. 10.7) gehemmt werden. Daher ist diese Substanz für Pflanzen toxisch.
Das für die Glutamat-Synthase erforderliche α-Ketoglutarat wird im Gegentausch mit Malat in die Chloroplasten importiert und das gebildete Gluta-
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mat ebenfalls im Gegentausch mit Malat in das Cytosol ausgeschleust. Der Anteil des Glutamats, der aus dem durch Nitritreduktion gebildeten NH4+ stammt, bildet somit das Produkt der Nitratassimilation (Abb. 10.6). Die Chloroplastenhüllmembran besitzt einen Translokator, durch den Glutamin im Gegentausch mit Glutamat transportiert werden kann. Auf diese Weise kann aus den Chloroplasten auch Glutamin ausgeschleust werden.
Die Nitratassimilation erfolgt auch in der Wurzel
Wie bereits besprochen, erfolgt in Pflanzen die Nitratassimilation teilweise und manchmal sogar vorwiegend in der Wurzel. Aus dem Boden aufgenommenes NH4+ wird stets in den Wurzeln assimiliert. Die Reduktion von Nitrat und Nitrit und die Fixierung des NH4+ erfolgen in den Wurzelzellen analog wie bei den Mesophyllzellen. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass in den Wurzelzellen die dabei benötigten Reduktionsäquivalente nur durch die Oxidation von Kohlenhydraten geliefert werden. Die Reduktion des Nitrits und die Fixierung des dabei gebildeten NH4+ (Abb. 10.8) erfolgen in den Leukoplasten, einer Differenzierungsform der Plastiden (Abschn. 1.3).
Der oxidative Pentosephosphatweg liefert Reduktionsäquivalente
Die für die Reduktion des Nitrits und die Bildung des Glutamats erforderlichen Reduktionsäquivalente werden durch die Oxidation von Glucose-6-phosphat über den in Abschnitt 6.5 besprochenen oxidativen Pentosephosphatweg bereitgestellt (Abb. 10.8). Die Aufnahme von Glucose-6-phosphat erfolgt im Gegentausch mit dem Molekül Triosephosphat. Der Glucose-6-phosphat-Phosphat-Translokator der Leukoplasten unterscheidet sich von dem Triosephosphat-Phosphat-Translokator der Chloroplasten dadurch, dass er neben Phosphat, Triosephosphat und 3-Phosphoglycerat zusätzlich auch Glucose-6-phosphat transportiert. Im oxidativen Pentosephosphatweg werden drei Moleküle Glucose-6-phosphat zu drei Molekülen Ribulose-5-phosphat umgesetzt, dabei werden sechs Moleküle NADPH gebildet und drei Moleküle CO2
freigesetzt. Die weitere Umwandlung ergibt ein Molekül Triosephosphat und zwei Moleküle Fructose-6-phosphat; letztere reagieren über die Hexosephos-
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phat-Isomerase wieder zurück zu Glucose-6-phosphat. Im Cytosol wird über die Aldolase, die cytosolische Fructose-1,6-bisphosphatase und die Hexosephosphat-Isomerase aus zwei Molekülen Triosephosphat Glucose-6-phosphat zurückgewonnen. Auf diese Weise kann Glucose-6-phosphat unter Bildung von NADPH vollständig zu CO2 oxidiert werden.
Wie in den Chloroplasten, so ist auch in den Leukoplasten reduziertes Ferredoxin das Reduktionsmittel; seine Reduktion erfolgt durch NADPH. Das für die Glutamin-Synthetase erforderliche ATP kann durch die mitochondriale ATP-Synthese gebildet werden und wird durch einen ATP-Translokator im Gegentausch mit ADP in die Leukoplasten aufgenommen. Auch die Glutamat-Synthase der Leukoplasten reagiert mit einem durch NADPH reduzierten Ferredoxin als Redoxpartner. Unter Vermittlung von Ferredoxin kann so das durch den oxidativen Pentosephosphatweg gelieferte NADPH als Reduktionsmittel für die Nitritreduktion und NH4+-Fixierung in den Leukoplasten der Wurzeln dienen. Außerdem gibt es in Leukoplasten auch eine
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Glutamat-Synthase, die NADPH und NADH als Reduktionsmittel verwendet. Bei ausschließlicher Nitratreduktion in der Wurzel erhält der Spross organische Stickstoffverbindungen über das Xylem. Diese sind meist Glutamin und Asparagin. Dies gilt auch, wenn NH4+ die Stickstoffquelle im Boden ist.
10.2 Die Nitratassimilation unterliegt einer strengen Kontrolle
Bei der Photosynthese einer Pflanze müssen CO2-Assimilation und Nitratassimilation aufeinander abgestimmt werden. Die Nitratassimilation kann nur dann ablaufen, wenn durch die CO2Assimilation die Kohlenstoffgerüste für die Aminosäuren bereitgestellt werden. Auch muss die Nitratassimilation so gesteuert werden, dass die Produktion der Aminosäuren den Bedarf nicht überschreitet. Schließlich ist es wichtig, dass die Nitratreduktion nicht schneller erfolgt als die Nitritreduktion, da sich sonst das toxische Nitrit (siehe Abschn. 10.1) in den Zellen anstauen würde. Eine solche „gefährliche" Nitritbildung findet unter bestimmten Bedingungen in Wurzeln statt, die zum Beispiel bei Hochwasser durch Überfluten anaerob werden. Hier wird das regulatorische System offenbar überfordert. Überflutete Wurzeln können Nitrit aber an das Wasser abgeben, wodurch die Gefahr der Selbstvergiftung verringert wird. In Blättern wäre das nicht möglich. Deshalb ist die regulatorische Kontrolle der Nitratreduktion dort besonders wichtig. Da das für die Nitratreduktion erforderliche NADH auch im Dunkeln angeliefert werden kann - beispielsweise durch glycolytischen Abbau von Glucose - ist die Reduktion des Nitrats zu Nitrit auch ohne Photosynthese möglich. Die in den Chloroplasten ablaufende Reduktion des Nitrits und die Assimilierung des NH4+ erfordert hingegen eine Bereitstellung von Reduktionskraft und von ATP, welche während des Tags durch die Photosynthese erfolgt. Eine Bereitstellung von Reduktionsäquivalenten im Dunkeln durch den dann ablaufenden oxidativen Pentosephosphatweg ist in nur sehr beschränktem Umfang möglich. Um einen Anstau des Nitrits zu vermeiden, muss daher in den Blättern die Nitratreduktion im Dunkeln sehr stark reduziert oder sogar abgeschaltet werden. Diese Beispiele sollen verdeutlichen, wie wichtig es für die Pflanze ist, dass die Nitrat-Reduktase, das Startenzym der Nitratassimilation, in ihrer Aktivität streng reguliert wird.
Die Synthese der Nitrat-Reduktase wird auf der Ebene der Genexpression reguliert
Die Nitrat-Reduktase ist ein außergewöhnlich kurzlebiges Protein, seine Halbwertszeit beträgt nur wenige Stunden. Die Rate der Neusynthese dieses Enzyms ist daher außerordentlich hoch. Somit kann durch eine Regulation seiner Synthese die Aktivität der Nitrat-Reduktase innerhalb von Stunden verändert werden.
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Die Synthese des Enzyms wird auf der Ebene der Genexpression durch mehrere Faktoren reguliert: Nitrat und Licht stimulieren die Synthese. Ein Teil des Lichteffekts geht möglicherweise auf durch Photosynthese gebildete Kohlenhydrate zurück und die Transkription der Nitrat-Reduktase wird durch Glucose und andere Kohlenhydrate im Dunkeln stimuliert und durch NH4+, Glutamin und andere Aminosäuren gehemmt (Abb. 10.9). Welche Metabolite unmittelbar auf die Genexpression einwirken, ist nicht bekannt. Es gibt offenbar Sensoren, die über eine Regulation der Genexpression die Kapazität der Nitrat-Reduktase dem Bedarf an Aminostickstoff und dem Angebot von CO2-Assimilationsprodukten als Kohlenstoffbausteine für die Aminosäuresynthese anpassen.
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Die Nitrat-Reduktase wird auch durch reversible kovalente Modifikation reguliert
Die bisher besprochene Regulation der Neusynthese der Nitrat-Reduktase(NR)erlaubt nur eine Regulation der Enzymaktivität im Stundenbereich. Sie würde nicht ausreichen, um im Dunkeln einen Anstau des Nitrits in den Pflanzen zu vermeiden. Eine schnelle Inaktivierung der Nitrat-Reduktase innerhalb von Minuten erfolgt über eine Proteinphosphorylierung (Abb. 10.9). Nach Verdunkeln wird ein Serinrest, welcher sich in dem Nitrat-Reduktase-Protein zwischen der Häm-und der MoCo-Domäne befindet, durch eine Protein-Kinase - die Nitrat-Reduktase-Kinase - phosphoryliert. Diese Protein-Kinase wird durch das Photosyntheseprodukt Triosephosphat und andere Phosphatester gehemmt, und durch Ca2+-Ionen - einem Botenstoff vieler Signalketten (Abschn. 19.1) - stimuliert. Die phosphorylierte Nitrat-Reduktase bindet ein Inhibitorprotein. Dadurch wird der Elektronentransport zwischen Cytochrom b557 und der MoCo-Domäne (Abb. 10.2) unterbrochen und die Nitrat-Reduktase gehemmt. Durch die Nitrat-Reduktase-Phosphatase wird das Serinphosphat des Enzyms hydrolysiert, das Inhibitorprotein löst sich vom Enzym und verliert dadurch seine Wirkung: Das Enzym ist wieder aktiv. Okadainsäure hemmt die Nitrat-Reduktase-Phosphatase, und damit auch die Reaktivierung der Nitrat-Reduktase. Durch Reversibilität der Phosphorylierung des Serinrestes und der Bindung des Inhibitorproteins besteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen der aktiven und der inaktiven Form der Nitrat-Reduktase. Die Hemmung der Nitrat-Reduktase-Kinase durch Triosephosphat und andere Phosphatester bewirkt, dass die Nitrat-Reduktase nur dann aktiv ist, wenn durch die CO2-Fixierung die Kohlenstoffskelette für die in folgendem Abschnitt behandelte Synthese von Aminosäuren bereitgestellt werden.
14-3-3-Proteine sind wichtige Regulatoren des Stoffwechsels
Das Nitrat-Reduktase-Inhibitorprotein gehört zu einer im Tier- und Pflanzenreich weit verbreiteten und hoch konservierten Familie von Regulatorproteinen, den so genannten 14-3-3-Proteinen. 14-3-3-Proteine haben die Eigenschaft, dass sie an eine aus sechs Aminosäuren (Arg-X-X-SerP/ThrP-X-Pro) bestehende spezifische Bindungsstelle des Zielproteins binden, welche in der vierten Position ein Serin- oder Threoninphosphat enthält. Im Falle der Nitratreduktase wurde dies durch ein Experiment bestätigt: Ersetzte man in der 14-3-3-Protein-Bindungsstelle der Nitratreduktase das Serin über eine gezielte Mutagenese durch Alanin, wurde die so veränderte Nitratreduktase durch Phosphorylierung nicht mehr inaktiviert. 14-3-3-Proteine binden an eine Vielfalt von Proteinen und ändern deren Aktivität. 14-3-3 Proteine regulieren in Pflanzen die Aktivität der H+-P-ATPase (Abschn. 8.2) der Plasmamembran. Sie regulieren die Wirkung von Transkriptionsfaktoren (Abschn. 20.2) sowie den Proteinimport in Chloroplasten (Abschn. 21.3). Es gibt Hinweise dafür, dass 14-3-3 Proteine an Signalketten (Abschn. 19.1) beteiligt sind,
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indem sie an verschiedene Proteinkinasen binden, und eine Rolle bei den Antworten auf biotischen und abiotischen Stress spielen. Die Aufklärung dieser Zusammenhänge ist derzeit ein sehr aktuelles Forschungsgebiet.
Diese allgemeine Bedeutung der 14-3-3 Proteine für die Stoffwechselregulation nutzt der für Pflanzen pathogene Pilz Phomopsis amygdalis (früher: Fusicoccum) für seinen Angriff: Er bildet die Substanz Fusicoccin, welche sich spezifisch an die Komplexe zwischen 14-3-3-Proteinen und verschiedenen von ihnen regulierten Zielproteinen anlagert und damit beide Liganden stabilisiert. So wird durch Fusicoccin die H+-P-ATPase konstant in die aktive Form überführt. Dadurch kann der Stoffwechsel so gestört werden, dass das vom Pilz befallene Pflanzenorgan schließlich abstirbt.
Die Regulation der Nitrat-Reduktase und der Saccharosephosphat- Synthase weisen große Ähnlichkeiten auf
Der hier gezeigte Mechanismus für die Regulation der Nitrat-Reduktase durch Phosphorylierung von Serinresten des Enzymproteins durch spezielle Proteinkinasen und Proteinphosphatasen hat eine auffallende Ähnlichkeit mit der im vorigen Kapitel besprochenen Regulation der Saccharosephosphat-Synthase